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Ausblick für Europa: Weniger Abwärtspotenzial, aber mit Vorsicht zu genießen

Eine Ausrichtung auf hohe Qualität und Liquidität wird 2023 beim Eingehen von Risiken in den Portfolios entscheidend sein, da der Druck auf die Geldpolitik hoch bleibt.

In den letzten Wochen mehrten sich die Hinweise, dass die Konjunktur der Eurozone trotz der heftigen Schocks in Form von höheren Energiepreisen und ungünstigeren Finanzierungsbedingungen widerstandsfähig ist. Nachdem der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Eurozone im Oktober auf einen Tiefstand von rund 47 Punkten gesackt war, kletterte er im Januar wieder über die Marke von 50 Punkten (siehe Abbildung 1), was eher auf eine Stagnation denn auf einen Abschwung hindeutet.

Die deutsche Industrieproduktion nahm im November derweil zu, obwohl im Lauf des Monats deutlich weniger Aufträge eingingen. Darin spiegeln sich die umfangreichen Auftragsbestände wider, die während der Pandemie aufgebaut wurden. Beeindruckenderweise legen die vorläufigen jährlichen BIP-Zahlen für Deutschland, die für das Jahr 2022 veröffentlicht wurden, nahe, dass die Wirtschaft im Schlussquartal 2022 leicht gewachsen ist – entgegen der bis vor Kurzem weitverbreiteten Annahme, dass die Wirtschaft geschrumpft sei.

Abbildung 1: PMI der Eurozone

Abbildung 1: Das Schaubild zeigt den Einkaufsmanagerindex (PMI) der Eurozone im Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2023. Der PMI ist eine Kennzahl für die Gesundheit einer Volkswirtschaft, wobei jeder Wert unter 50 Punkten auf eine rückläufige und jeder Wert über 50 Punkten auf eine steigende Produktion hinweist. Gemäß dem Schaubild entwickelte sich die Wirtschaftsleistung von 2015 bis 2019 positiv und ging 2020 im Zuge der Pandemie deutlich in die Knie. Von Anfang 2021 bis Anfang 2022 nahm die Wirtschaft dann wieder Fahrt auf, bevor sie in der zweiten Jahreshälfte 2022 abermals in den kontraktiven Bereich rutschte. Aktuell liegt der PMI knapp über 50 Punkten (Stand: Januar 2023).

Quelle: PIMCO, Markit; Stand: 24. Januar 2023.

Während die genauen Ursachen für diese Widerstandskraft unklar sind, möchten wir auf folgende Umstände hinweisen: Die Produktion wird durch einen erheblichen Nachholbedarf und umfangreiche Auftragsbestände aus Zeiten der Pandemie gestützt. Die aufgestauten Ersparnisse der Haushalte federn den Schlag der gestiegenen Inflation ab. In den widerstandsfähigen Arbeitsmärkten spiegelt sich vermutlich die Zurückhaltung der Unternehmen hinsichtlich Personalentlassungen wider, die dem akuten Arbeitskräftemangel in aller Welt geschuldet ist. Und nicht zuletzt schwächt der klare Richtungswechsel bei den Großhandelsgaspreisen den Energiepreisschock für die privaten Haushalte und insbesondere für die Unternehmen ab.

Geringeres Rezessionsrisiko, wenn auch mit anhaltenden Schwierigkeiten

Obwohl wir von einer milden Rezession in Europa ausgegangen sind, deuten die jüngsten Daten darauf hin, dass uns eine Rezession ganz erspart bleiben könnte. Diese Neuigkeit mag auf kurze Sicht zwar positiv sein, hat aber auch ihren Preis.

Gemäß den von Eurostat veröffentlichten Daten für Dezember ist die Kerninflation der Eurozone auf ein Rekordniveau von 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Ein Teil davon ist einem Preisanstieg in Kategorien zuzuschreiben, die von angebotsseitigen globalen Faktoren abhängen. Dieser Auftrieb wird vermutlich auch dann nachlassen, wenn sich die Konjunktur als widerstandsfähig erweist. Davon betroffen sind die Preise für Kerngüter und Dienstleistungen wie Reisen und Unterbringung, die in hohem Maß von der Wiedereröffnung infolge der Pandemie profitieren. Nichtsdestotrotz dürfte eine gewisse Abkühlung der Konjunktur und des Arbeitsmarkts nötig sein, damit die Inflation wieder auf das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückkehrt.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Abkühlung wir brauchen, nehmen wir an, dass sich das Lohnwachstum (gemessen an den Tariflöhnen gemäß den EZB-Daten) von derzeit 3 % im Jahresvergleich auf 4 % bis 4,5 % erhöht - eine vernünftige Erwartung angesichts der jüngsten Lohnabschlüsse. Bei einem trendmäßigen Produktivitätswachstum von etwa 1 % würde dies bedeuten, dass sich das Wachstum der Lohnstückkosten bei 3 %-3,5 % einpendeln könnte.

Um ein Niveau zu erreichen, das mit dem Inflationsziel der Währungshüter vereinbar ist, müssten die Lohnstückkosten und die „rigide“ Kerninflation um ein bis eineinhalb Prozentpunkte zurückgehen. Anhand von Daten aus 14 Industrieländern, die bis in die 1960er-Jahre zurückreichen, schätzen wir, dass die Arbeitslosenquote um 0,7 bis 1,0 Prozentpunkte steigen müsste, um einen derartigen Rückgang der Kerninflation herbeizuführen. Bis dato zeigte sich die Arbeitslosenquote der Eurozone aber gänzlich unbeeindruckt und verharrte auf einem Rekordtief von 6,5 Prozent im November.

Zugegeben: Wir rechnen nach wie vor mit einer konjunkturellen Abkühlung, wenn die Unterstützung durch die Auftragsbestände zum Teil nachlässt und sich die restriktivere Geldpolitik in der Wirtschaftsleistung niederschlägt. Sollte die zuletzt beobachtete Resilienz jedoch anhalten, könnte sich die Vermutung, dass die EZB stärker an der Zinsschraube drehen muss, als derzeit am Markt eingepreist (mit einem Spitzenzins von etwa 3,5 Prozent), als richtig erweisen. In unseren Anlageportfolios halten wir es daher für sinnvoll, beim Eingehen von Risiken auf hohe Qualität und hohe Liquidität zu setzen. In den konjunktursensibelsten Bereichen des Markts lassen wir dagegen Vorsicht walten.

Lesen Sie unseren vollständigen Konjunkturausblick „Angespannte Märkte, aussichtsreiche Anleihen“, um detaillierte Konjunkturprognosen für 2023 und deren Konsequenzen für Anleger zu erhalten.

Nicola Mai leitet das Research von PIMCO für europäische Staatsanleihen.

Autor

Nicola Mai

Portfoliomanager, Sovereign Credit Analyst

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