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EZB: Annäherung an die Reiseflughöhe

Nachdem die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht hat, verlagert sich der Fokus von dem erwarteten Niveau des Höchstzinssatzes auf die Frage, wie lange dieses bestehen bleiben wird.

Während die Europäische Zentralbank (EZB) angedeutet hat, dass sie ihren Einlagensatz nach der Erhöhung um einen Viertelprozentpunkt im Juli möglicherweise weiter anheben könnte, verlagert sich der Fokus allmählich von dem genauen Niveau des Höchstsatzes bei den Zinsen hin zur Frage, wie lange diese auf dem Höchststand verharren werden. Wir glauben: Das Risiko besteht, dass die Leitzinssenkungen später kommen könnten, als das an den Terminmärkten derzeit eingepreist wird.

Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Inflation bleibt hoch, was die Entscheidungen der EZB komplizierter macht. Während sich die konjunkturelle Dynamik im Euroraum erheblich abgeschwächt hat und viele Faktoren zur Jahresmitte auf eine Stagnation hindeuten, präsentieren sich die Arbeitsmärkte weiterhin robust. Die Inflation dürfte jedoch hartnäckig auf hohem Niveau bleiben. Die Inflationsdaten vom Juni (Harmonisierter Verbraucherpreisindex; HVPI) zeigten, dass die Gesamtinflation im Jahresvergleich auf 5,5 Prozent zurückgegangen ist, während die Kerninflation im Jahresvergleich auf 5,5 Prozent gestiegen ist.

Das stabile Wachstum in den USA und die anhaltende, über den Erwartungen liegende Inflation deuten darauf hin, dass die Kerninflation in der Eurozone langsamer sinken könnte als ursprünglich angenommen. Aufwärtsrisiken ergeben sich vor allem aus nach wie vor starken inländischen und lohnintensiven Komponenten der Inflation. Damit die Inflation wieder auf das EZB-Ziel von zwei Prozent fallen kann, ist wahrscheinlich eine Abschwächung am Arbeitsmarkt und in der Gesamtwirtschaft erforderlich.

Auswirkungen auf Investments: Obwohl wir bei den aktuellen Bewertungen keine starke Meinung zu den Laufzeiten europäischer Papiere haben, sind wir weiterhin davon überzeugt, dass europäische Zins-Swaps im Lauf der Zeit besser abschneiden werden als Staatsanleihen der Kernländer. Die Wiederanlagen des Asset Purchase Programme (APP) wurden eingestellt, und die EZB könnte in diesem Jahr auch die Wiederanlagen in das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) überdenken. Angesichts des erhöhten Emissionsbedarfs schwächt dies unserer Ansicht nach die technischen Faktoren ab, die für Staatsanleihen sprechen.

Zinsen: Die Stärke des Arbeitsmarkts deutet trotz schwächerer Wachstumsdynamik auf Aufwärtsrisiken

Im Gegensatz zu früheren geldpolitischen Sitzungen hat die EZB ihre Absichten im Hinblick auf die Leitzinsen für die bevorstehende Sitzung im September nicht kommuniziert. Allerdings hatten EZB-Offizielle klargestellt, dass die Entscheidung auf eine erneute Zinserhöhung oder eine Pause hinauslaufen werde. Der Fokus liegt dabei weiterhin auf einem datenbasierten Entscheidungsansatz (ähnlich dem der US-Notenbank – Einzelheiten finden Sie in unserem Blog-Beitrag hierzu ). Bis September dürften neue Daten und Prognosen vorliegen. Diese werden es der EZB ermöglichen, ihre Einschätzungen zu den Inflationsaussichten und der Stärke der Transmissionsmechanismen der Geldpolitik zu aktualisieren.

Der Markt rechnet (zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung) mit rund 20 Basispunkten kumulativer EZB-Zinserhöhungen in den folgenden Sitzungen, und mit Zinssenkungen ab dem ersten Quartal kommenden Jahres. Wir glauben zwar, dass der derzeit auf den Terminmärkten eingepreiste Höchstzinssatz angemessen erscheint, bleiben jedoch angesichts der anhaltenden Inflation skeptisch, dass die EZB schon so früh Zinssenkungen angehen wird.

Seit der Veröffentlichung der jüngsten makroökonomischen Prognosen auf der geldpolitischen Sitzung im Juni lagen die Konjunkturdaten allgemein unter den Erwartungen der EZB. Jüngste Daten zum Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Euroraum deuten auf einen erheblichen Momentum-Verlust hin. Das legt eine konjunkturelle Stagnation nahe, die wir zur Jahresmitte beobachten konnten. Infolgedessen wird die EZB die Prognosen für das erwartete Wachstum in ihrem anstehenden September-Ausblick wahrscheinlich senken.

Entgegen der jüngsten Wachstumsdynamik entwickelt sich die Inflation im Einklang mit den Erwartungen der EZB und könnte zu lange zu hoch bleiben. Die Lohndynamik hat sich aufgrund der robusten Arbeitsmärkte und der Bemühungen der Arbeitnehmer, sich einen Teil der durch die hohe Inflation verlorenen Kaufkraft zurückzuholen, erheblich verstärkt. Im Juni prognostizierte die EZB, dass das jährliche Lohnwachstum von 5,3 Prozent (gegenüber dem Vorjahr) im Jahr 2023 auf 3,9 Prozent im Jahr 2025 sinken würde – was immer noch deutlich über dem langfristigen Durchschnitt der Region von 2,1 Prozent liegt. Die Arbeitslosenquote im Euroraum befindet sich mit 6,5 Prozent auf einem Rekordtief. Und die EZB geht davon aus, dass die Quote weiter sinken wird.

Die Bilanz: Keine Änderungen im Juli, aber weitere werden kommen

Die EZB behielt ihre Prognose für den Wiederanlagesatz auf der Juli-Sitzung bei. Sie hat in diesem Monat die Wiederanlagen im Rahmen des regulären Asset Purchase Programme (APP) eingestellt und beabsichtigt, die fälligen Titel des Pandemie Emergency Purchase Programme (PEPP) bis mindestens Ende 2024 wieder anzulegen.

Wir gehen davon aus, dass die EZB eine frühere Kürzung der Wiederanlagen beim PEPP anstrebt, möglicherweise schon in diesem Jahr. Gleichzeitig rechnen wir damit, dass weitere Fortschritte bei der Reduzierung des APP-Portfolios und eine größere Transparenz des finalen Höchstzinssatzes notwendige Voraussetzungen sein werden für eine Abkehr von der Guidance bei den aktuellen Wiederanlagen für das PEPP.

Sowohl mit Blick auf das APP als auch auf das PEPP gehen wir zwar nicht davon aus, dass die EZB den Verkauf von Anleihenbeständen völlig ausschließt. Wir erwarten jedoch eine schrittweise und geordnete passive Rückführung der Wiederanlagen. Längerfristig wird die Wiederanlagepolitik der EZB wahrscheinlich auch von einem neuen operativen Rahmen zur Steuerung der kurzfristigen Zinssätze beeinflusst werden, der die Größe eines strukturellen Anleihenportfolios mit einschließt.

Die Entscheidung der EZB, die Mindestreserven der Banken mit null Prozent zu verzinsen, kam zwar etwas unerwartet. Trotzdem glauben wir nicht, dass sie größere Auswirkungen auf die Durchführung der Geldpolitik oder auf die geldpolitische Transmission im weiteren Sinne haben wird. Die EZB betonte allerdings, dass diese Entscheidung keinen Einfluss auf die laufende Überprüfung des operativen Rahmens haben werde.

Autor

Konstantin Veit

Portfolio Manager, Leiter European Rates- und Short-Term Desks, CFA

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