Marktausblick

Regionaler Konjunkturausblick 2022: Rückläufiges Wachstum und politische Kurswechsel

Die wichtigsten Regionen beschreiten 2022 vermutlich unterschiedliche, unbeständige und unsichere Pfade, während die Weltwirtschaft vom mittleren Teil des Konjunkturzyklus auf eine spätzyklische Dynamik übergeht.

Viele globale Volkswirtschaften haben die Anfangsphase des Konjunkturzyklus rasch hinter sich gelassen, um sich in den mittleren Teil des Zyklus zu begeben, der sich nun zügig zu einer spätzyklischen Dynamik zu entwickeln scheint. Das weltweite reale BIP-Wachstum – und die fiskalpolitische Unterstützung – dürften 2021 ihren Höhepunkt erreicht haben. Die globale Inflation erreicht gemäß unserem Basisszenario im ersten Quartal 2022 ihren Höhepunkt, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die Geldpolitik in den meisten Regionen auf eine Normalisierung zusteuert. Wie in unserem langfristigen Ausblick „Ära der Transformation“ erläutert, dürfte uns ganz allgemein ein volatileres und unsichereres Wachstums- und Inflationsumfeld bevorstehen, in dem die Entwicklungen in den einzelnen Regionen und Sektoren unterschiedlich verlaufen.

In diesem Beitrag legen wir unsere Einschätzungen mit Blick auf das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Politik der großen Wirtschaftsregionen im Jahr 2022 dar. Ausführlichere Einschätzungen zu den Wirtschaftstrends im Jahr 2022 sowie deren Anlageimplikationen erhalten Sie in unserem konjunkturellen Ausblick „Investieren in einem dynamischen Konjunkturzyklus“.

USA: Wiederherstellung und Wiederaufstockung

Tiffany Wilding, Allison Boxer

Aus unserer Sicht werden die USA im Jahr 2022 drei Richtungswechsel durchlaufen, die in einem langsameren, aber über dem Trend liegenden Wachstum und einer geringeren, aber über der Zielmarke liegenden Inflation münden. Erstens sollten die Hilfsprogramme das Feld für ein organisches Wachstum räumen, da die Fiskal- und die Geldpolitik im Jahr 2022 tendenziell weniger Unterstützung bieten werden. Zweitens dürften die pandemiebedingten Warenkäufe einer weiteren Erholung im Dienstleistungssektor weichen – unabhängig von der anhaltenden Unterbrechung im Dienstleistungsgewerbe während des ersten Quartals, die durch die Omikron-Variante des Coronavirus bedingt ist. Drittens dürfte das Wachstum der inländischen Endnachfrage von einer Aufstockung der Lagerbestände abgelöst werden. Im Jahr 2021 wurde die Produktion durch Lieferengpässe eingeschränkt, wodurch – gepaart mit einer hohen Nachfrage nach Gütern – die Lagerbestände nun erschöpft sind. 2022 sollten ein rückläufiges Wachstum der inländischen Endnachfrage und nachlassende Lieferengpässe eine Wiederaufstockung der Bestände ermöglichen. Alles in allem sollte sich das reale US-Wachstum bis zum vierten Quartal 2022 auf eine Spanne von 3,5 bis 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum abschwächen.

Die Wiederherstellung und die Wiederaufstockung sollten letztlich dazu beitragen, die Inflation gegen Ende 2022 auf das Ziel der US-Notenbank zurückzubefördern. Bis dahin dürfte der Preisauftrieb jedoch deutlich stärker ausfallen, mit einem Kern-VPI (US-Verbraucherpreisindex), der seinen Höchststand bei rund sechs Prozent im ersten Quartal erreicht. Vor diesem Inflationshintergrund erwarten wir, dass die US-Notenbank im März 2022 mit der Anhebung ihrer Zinsen und gegen Jahresmitte mit der Verschlankung ihrer Bilanz beginnt.

Allerdings ist dieses „Goldilocks“-Szenario mit einem über dem Trend liegenden Wachstum, einer gemäßigten Inflation und einer allmählichen Straffung der Geldpolitik mit mehreren Risiken behaftet. Erstens birgt das derzeit deutliche Überschießen der Inflationszahlen die Gefahr, dass die langfristigen Inflationserwartungen steigen, was vermutlich wiederum eine schärfere Reaktion der Notenbanker nach sich ziehen würde. Ein zweites Risiko geht von der Geschwindigkeit aus, mit der sich das Arbeitsangebot erholt und sich die Anspannung am Arbeitsmarkt erhöht. Der US-Arbeitsmarkt scheint im Verhältnis zu anderen Industrieländern angespannt, und es ist ungewiss, inwieweit höhere Löhne durch Produktivitätssteigerungen wettgemacht werden können. Drittens mag es zwar schwierig sein, die Virusentwicklung vorherzusagen; dennoch war die pandemiebedingte Angst in den USA bislang größer als in anderen Industrienationen, was das Risiko für die Wirtschaftsaktivität im Zuge weiterer Virusfälle unterstreicht, selbst wenn es seitens der Behörden keine weiteren Einschränkungen gibt. Nicht zuletzt geht von der Omikron-Variante auch ein Aufwärtsrisiko für die Inflation aus, da jegliche zusätzliche Unterbrechung von Produktion und Lieferkette zu einer Zeit erfolgen würde, in der die US-Lagerbestände vieler Einzelhandelsgüter noch immer auf rekordniedrigen Niveaus liegen.

Eurozone: Fortsetzung des robusten Aufschwungs nach winterlichen Schwankungen

Nicola Mai

Der Euroraum sollte auch im Jahr 2022 ein über dem Trend liegendes Wachstum von insgesamt rund vier Prozent verzeichnen, wenngleich das Wachstum in den ersten Monaten angesichts der anhaltenden Versorgungsengpässe, der höheren Energiepreise und der virusbedingten Kontaktbeschränkungen gedämpft sein dürfte. Im Frühling ist dann mir einer recht zügigen Beschleunigung zu rechnen, wenn sich die wirtschaftliche Normalisierung fortsetzt und die Wirtschaft weiter zu ihrem Vorkrisentrend aufschließt. Die Risiken für diesen Ausblick scheinen recht ausgewogen, wobei die aktuelle Ersparnisschwemme und der potenziell höhere Nachholbedarf wesentliche Aufwärtsrisiken darstellen, während virusbedingte Schwierigkeiten und Lieferengpässe zu den entscheidenden Abwärtsrisiken zählen.

Die Inflation wird im Euroraum wohl die Zielmarke überschreiten, mit einer Gesamtinflation von durchschnittlich rund drei Prozent im Jahr 2022. Mit Blick auf den Jahresverlauf sollte der Preisauftrieb indessen einem steilen Abwärtstrend folgen, mit Teuerungsraten von fünf Prozent auf Jahressicht per Ende 2021 und rund 1,5 Prozent auf Jahressicht per Ende 2022. Angetrieben wird diese Abkühlung durch signifikante negative Basiseffekte der Energiepreise sowie durch schwindenden Inflationsdruck aufgrund von Lieferengpässen und Auswirkungen der Wiedereröffnung auf die Kernpreise. Das verhaltene Lohnwachstum, die in der Vergangenheit zu geringe Inflation und die schwächere fiskalpolitische Reaktion auf die Krise sind Erklärung dafür, dass die Inflation in Euroland generell niedriger ausfällt als in Großbritannien und den USA.

Wie der gemäßigte Inflationsausblick nahelegt, sollte die Europäische Zentralbank (EZB) mit Blick auf ihre Hilfsmaßnahmen über den konjunkturellen Horizont vorerst abwarten, ihren Leitzins bei -0,50 Prozent belassen und weitere Nettowertpapierkäufe tätigen – wenn auch in einem immer geringeren Umfang. Was die Finanzpolitik angeht, ist für 2022 mit einer gewissen Konsolidierung zu rechnen, die allerdings eher auf das Auslaufen von Rettungsprogrammen als auf eine aktive Straffung der Fiskalpolitik zurückzuführen sein wird.

Großbritannien: Fiskal- und Geldpolitik nehmen den Fuß vom Gaspedal

Peder Beck-Friis

In Sachen Wachstum hinkt das Vereinigte Königreich seit Beginn der Pandemie hinterher. Das vierteljährliche BIP-Wachstum verharrt noch immer unter dem vor der Pandemie herrschenden Niveau – und damit geringfügig unter jenem in Europa und deutlich unter jenem in den USA. Besonders schwach zeigte sich der Exportsektor, was zum Teil mit dem Brexit zusammenhängen dürfte. Für die Zukunft erwarten wir, dass sich das BIP im Jahr 2022 weiter normalisiert und um rund vier bis fünf Prozent wächst, da die robuste Nachfrage aus dem Privatsektor die Bremswirkung der weniger expansiven Geld- und Finanzpolitik mehr als ausgleicht. Mit Blick auf den Jahresverlauf gehen wir davon aus, dass das Wachstum zum Frühlingsbeginn wieder Fahrt aufnimmt – nach einem schwachen Jahresstart, wenn die Konjunktur vermutlich durch anhaltende Lieferengpässe und leichten Widerstand im Zuge der wieder aufkeimenden Corona-Sorgen belastet wird.

Ähnlich wie viele andere Industrieländer verzeichnete auch Großbritannien eine überraschend hohe Inflation. So ging es bei den Energiepreisen steil bergauf, während die Kerninflation durch Lieferengpässe, Arbeitskräftemangel und Wiedereröffnungsdruck angeheizt wurde. Unseres Erachtens dürfte die Gesamtinflation ihren Höhepunkt im späten Frühjahr bei rund sechs bis sieben Prozent erreichen – und damit später als in den übrigen europäischen Nationen, was der geplanten Erhöhung der regulierten Energiepreise zuzuschreiben ist –, bevor sie wiederum stark abfällt, wenn die Lieferengpässe abklingen und die Auswirkungen der Wiedereröffnung verblassen; dabei dürfte die Kerninflation das Jahr 2022 knapp über der Zielmarke der Bank of England (BOE) von zwei Prozent schließen. Die Inflationsrisiken deuten in beide Richtungen: So könnten die Folgen der umfangreichen fiskal- und geldpolitischen Unterstützung eine langsamere Anpassung des Preisniveaus bewirken, während eine raschere Normalisierung der Lieferketten, und insbesondere der Erwerbsbeteiligung, einen stärkeren Inflationsrückgang herbeiführen könnte.

Seitens der Politik dürfte es weniger Unterstützung geben. Die BOE hat ihren Leitzins Ende 2021 angehoben, wobei wir in unserem Basisszenario mit zwei bis drei weiteren Zinserhöhungen im Jahr 2022 rechnen. Zwar ist die Unsicherheit groß, doch solange die mittelfristigen Inflationserwartungen verankert bleiben, sollte die BOE schrittweise vorgehen und den Fuß eher vom Gaspedal nehmen, als einen restriktiven Kurs einzuschlagen. Derweil dürfte die Fiskalpolitik im Jahr 2022 automatisch restriktiv bleiben, wenn die pandemiebezogenen Rettungsprogramme nach und nach auslaufen. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass die britische Regierung kurz vor den nächsten Parlamentswahlen weitere Konjunkturmaßnahmen ankündigen wird.

Kanada: Geringeres Potenzialwachstum belastet Zinssätze

Tiffany Wilding, Vinayak Seshasayee

Vorläufige Daten deuten darauf hin, dass das reale BIP Kanadas im Jahr 2021 um 4,8 Prozent (annualisiert) gewachsen ist – was mehr oder weniger den bisherigen Prognosen entspricht. Der kanadische Arbeitsmarkt konnte sich dagegen schneller erholen. In der Tat veranlassten das überraschend schleppende Produktivitätswachstum in Kombination mit den Lieferengpässen an den Gütermärkten und einer anziehenden Inflation die Bank of Canada (BOC) dazu, ihre Schätzungen für das Potenzialwachstum zu überdenken und den voraussichtlichen Zeitpunkt ihrer Zinserhöhungen vorzuverlegen. In Anbetracht dessen sowie gemäß unserer Prognose, dass das reale BIP-Wachstum Kanadas im Jahr 2022 mit einer Spanne von 3,5 bis 4,0 Prozent abermals deutlich über dem Trend liegt, dürfte die BOC ihre Zinsen erstmals im März und insgesamt vier Mal im Jahr 2022 anheben.

Dennoch rechnen wir für Kanada mit einem flacheren endgültigen Zinspfad, als der Markt ihn derzeit einpreist, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens impliziert das geringere Produktivitätswachstum infolge der Pandemie zwar eine geringere Produktionslücke, zugleich aber auch ein geringeres Trendwachstum sowie einen niedrigeren neutralen Realzins, was letztlich die Möglichkeit weiterer Zinserhöhungen gemeinhin einschränkt. Zweitens reagiert die kanadische Wirtschaft eher zinssensitiv, bedingt durch den höheren Verschuldungsgrad der privaten Haushalte und die Zusammensetzung des Wohnimmobilienmarkts, der in hohem Maß auf variabel verzinsliche Hypothekenkredite angewiesen ist. Drittens bezweifeln wir, dass die BOC in der Lage sein wird, ihren Leitzins deutlich über jenen in den USA anzuheben, ohne eine Währungsaufwertung zu riskieren, die wiederum ein Hemmnis für das Wachstum sein könnte. Nicht zuletzt erwarten wir – ähnlich wie bei unserer Prognose für die USA –, dass sich die kanadische Inflation im Verlauf dieses Jahres sowie Anfang 2023 abschwächt und damit die Dringlichkeit zusätzlicher Zinserhöhungen verringert.

Gleichermaßen wie in den USA bringt der Ausbruch der Omikron-Variante des Coronavirus auch erhebliche Risiken für unsere Basisprognose mit sich. Dennoch gehen wir vorerst davon aus, dass die Wachstumsabschwächung im ersten Quartal rasch von einem Wiederaufschwung im zweiten Quartal und darüber hinaus abgelöst wird.

China: Weitere Anstrengungen zur Wachstumsstabilisierung

Carol Liao

Im Gegensatz zu der fortschreitenden Erholung in den Industrienationen dürfte China ein schwieriges Jahr bevorstehen. Unser Basisszenario sieht für 2022 eine Abkühlung des chinesischen BIP-Wachstums auf etwa fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr voraus, hervorgerugen durch den eingeschränkten Energiemarkt und die verhaltene Entwicklung am Immobilienmarkt. Während der Engpass bei der Energieversorgung nach dem ersten Quartal nachlassen und die Inflation eindämmen sollte, bleiben unsere Aussichten für den Wohnimmobilienmarkt eingetrübt. Der Exportsektor hat sich in den vergangenen zwei Jahren überdurchschnittlich entwickelt, sollte sich aufgrund des hohen Ausgangsniveaus und der sinkenden Auslandsnachfrage nach Industrieerzeugnissen in den nächsten Quartalen aber abschwächen. Derweil gebietet die fortwährende Pandemie der Erholung des inländischen Dienstleistungssektors und der privaten Konsumausgaben Einhalt, während die Implementierungskosten von Chinas „Null Covid“-Strategie – die der Staat vermutlich bis Ende 2022 verfolgen wird – angesichts der wesentlich ansteckenderen neuen Virusvarianten immer weiter steigen.

Die Fiskalpolitik nimmt seit dem vierten Quartal 2021 einen expansiveren Verlauf, als die Central Economic Work Conference im Dezember ein starkes Signal für weitere Lockerungen sandte. Nach unserer Einschätzung ist ein Großteil der jüngsten Konjunkturabschwächung politisch bedingt, da die Regierung darauf bedacht ist, ihre langfristige Agenda voranzutreiben, einschließlich einer Senkung der CO₂-Emissionen, eines Schuldenabbaus und der Herstellung eines „Wohlstands für alle“. Die Koordinationsschwierigkeiten unter den verschiedenen Behörden und Kommunalverwaltungen resultierten indes in einer übermäßigen Straffung, die die kurzfristige Belastung durch die Reformen noch erhöht. Und während nicht mit einer Richtungsänderung der Reformen zu rechnen ist, wird sich die kurzfristige Politik in unseren Augen darauf konzentrieren, diese übermäßige Straffung mithilfe moderater makroökonomischer Unterstützung zu korrigieren.

Die Fiskalpolitik wird mit hoher Wahrscheinlichkeit expansiver, und zwar über eine kurzfristige Ausgabe spezieller Kommunalanleihen, die die Staatsausgaben in die Höhe treiben, sowie über Steuersenkungen. Damit sollten die Infrastrukturinvestitionen und die Konsumausgaben der privaten Haushalte gewissen Aufwind erfahren. Nichtsdestotrotz glauben wir, dass der finanzpolitische Impuls unter dem Strich bescheiden ausfallen wird, da haushaltswirksame Impulse für gewöhnlich durch geringere außerhaushaltsmäßige Mittel untergraben werden: So dürften etwa die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen und die Finanzierungsinstrumente der lokalen Regierungen durch die Bemühungen der Regierung, den Schuldengrad von Immobilienentwicklern und Lokalregierungen zu verringern, eingeschränkt bleiben.

China hat einen expansiven geldpolitischen Kurs eingeschlagen. Im Dezember 2021 reduzierte die chinesische Notenbank PBOC ihre Mindestreserveanforderungen (RRR) um 50 Basispunkte (Bp), gefolgt von einer Senkung des Referenzzinses (LPR) um weitere zehn Basispunkte im Januar 2022, der bereits im Dezember um fünf Basispunkte gesenkt wurde. Ferner könnte die fortschreitende Abschwächung der Wachstumsdynamik die Notenbanker dazu veranlassen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere im ersten Quartal oder zu Anfang des zweiten Quartals, wenn sich der aktuelle Corona-Ausbruch weiter ausbreitet oder sich am Wohnungsmarkt auf kurze Sicht keine Stabilisierung einstellt. In diesem Zusammenhang könnten die Auswirkungen von Zinssenkungen begrenzt sein, da das Kreditwachstum nach wie vor das wirksamste geldpolitische Instrument ist und durch die gegenwärtig schwache Kreditnachfrage eingeschränkt bleibt. Nach unserer Erwartung dürfte das Kreditwachstum im Jahr 2022 leicht anziehen, wenn die Kreditvergabe gelockert wird und sich die Finanzierung des Immobilienmarkts weiter normalisiert.

Japan: Privater Konsum als Wachstumstreiber

Jun Yamamoto

Wir erwarten, dass Japans BIP bis Ende 2022 auf das vor der Pandemie herrschende Niveau zurückkehrt, wobei das Wachstum überwiegend durch private Konsumausgaben beflügelt wird. Im dritten Quartal 2021 schnellte die Impfquote in die Höhe und liegt inzwischen auf oder über dem Durchschnitt der Industrienationen. In unseren Augen wird die verbesserte Impfsituation den Binnenkonsum im Jahr 2022 ankurbeln – vorausgesetzt, die Krankenhauseinweisungen infolge von Corona-Infektionen halten sich in Grenzen und die staatlichen Einschränkungen bleiben moderat. Das umfangreiche Konjunkturpaket, das im November 2021 angekündigt wurde, umfasst Zuschüsse für Privatpersonen, Subventionen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Lohnerhöhungen für Erzieher und Krankenpfleger, die der Konsumtätigkeit einen weiteren Schub verleihen dürften.

Mit Blick auf die externen Faktoren wurde die japanische Außenhandelsbilanz im Jahr 2021 durch Lieferengpässe beeinträchtigt, obschon wir mit einem kräftigen Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 2022 rechnen. Weiterer Auftrieb könnte durch eine Zunahme des Einreiseverkehrs entstehen.

Die Inflation war 2021 gedämpft, was vor allem auf die Neuzusammenstellung des japanischen Verbraucherpreisindexes (VPI) und die Regierungspolitik zur Senkung der Mobilfunkgebühren zurückzuführen war. Mit Blick auf die Zukunft könnte Japan einem gewissen Inflationsdruck über einen schwächeren Yen und höhere Rohstoffpreise ausgesetzt sein, der den VPI bis zur Jahresmitte 2022 auf über ein Prozent befördern könnte; in Anbetracht unseres Basisszenarios eines begrenzten Lohnwachstums sollte diese Kostendruckinflation per se aber nicht von Bestand sein. Auch gehen wir nicht davon aus, dass die Inflation im Jahr 2022 nennenswerte geldpolitische Maßnahmen in Japan nach sich zieht.

Schwellenländer: Verlangsamte Erholung wegen Inflations- und landesspezifischer Risiken

Lupin Rahman

Für 2022 präsentieren sich die makroökonomischen Aussichten der Schwellenländer uneinheitlich, da sich das Wachstum mit der zunehmenden Erholung abschwächt und die Inflation über dem Zielwert liegt – und weiter anzieht. Die Erholung schreitet in den einzelnen Ländern mit sehr unterschiedlichem Tempo voran, was durch die Dynamik der Pandemie, die Abhängigkeit von Rohstoffen, die Anfälligkeit für weltweite Schocks und landesspezifische Ereignisse bedingt ist. Diese Unterschiede könnten 2022 noch stärker ausfallen, wenn sich die Kluft zwischen der Erholung der USA und jener Europas und Chinas noch vergrößert. Unsere Prognose lautet, dass sich das BIP-gewichtete Wachstum in vier der bedeutenden Schwellenländer – Brasilien, Russland, Indien und Mexiko (BRIM) – 2022 auf 4,1 Prozent im Jahresvergleich abschwächt, gegenüber 7,5 Prozent im Jahr 2021. Die Wirtschaftstätigkeit könnte in der ersten Jahreshälfte 2022 wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren.

Die Inflation ist nach wie vor ein entscheidender Faktor für den Konjunkturausblick der Schwellenländer, wobei sowohl die Zahlen für die Gesamt- als auch für die Kerninflation die Zielmarke deutlich überschreiten. Obschon es angesichts der jüngsten Produktionstrends und des nachlassenden Wachstumsmomentums Anzeichen für eine Abschwächung gibt, erwrten wir, dass die Gesamtinflation der BRIM-Staaten im Jahr 2022 unverändert bei 6,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr verharrt. Auch wenn diese Prognose mit Aufwärtsrisiken behaftet ist, gehen wir davon aus, dass sich die Gesamtinflation gegen Jahresende in Richtung der Notenbankziele abschwächt.

Angesichts der rückläufigen Inflationsdynamik in den Schwellenländern und der Tendenz der Industrieländer hin zu einer restriktiven Geldpolitik dürften sich 2022 auch die Notenbanken der Schwellenländer eher restriktiv ausrichten. Die meisten von ihnen haben bereits im Jahr 2021 einen restriktiveren Kurs eingeschlagen und werden ihn in unseren Augen auch weiter verfolgen, sodass sich die Realzinsen in den Schwellenländern zum Jahresende 2022 deutlich im positiven Bereich bewegen sollten. Renditeschwache Nationen werden hierbei voraussichtlich den Weg weisen, wodurch der allgemeine Realzinsunterschied zwischen den Industrie- und den Schwellenländern so stark ausfallen könnte wie seit der globalen Finanzkrise nicht mehr.

Außerdem sollte der finanzpolitische Impuls der Schwellenländer im Jahr 2022 eher einen dämpfenden Effekt auf das Wachstum haben. Schließlich werden die meisten pandemiebezogenen Hilfsprogramme eingestellt und die umfangreichen Haushaltsdefizite der Jahre 2020 und 2021 im Zaum gehalten, um haushaltspolitischen Spielraum zu gewinnen und die höheren Schuldenquoten infolge der Corona-Pandemie zu stabilisieren. Während der Pandemie haben die Regierungen massiv auf inländische Kredite gesetzt, um ihre Haushaltsdefizite zu finanzieren – eine Tendenz, die im Jahr 2022 abnehmen sollte.

Unter dem Strich könnte die Auslandsverschuldung der Schwellenländer 2022 zwar leicht zunehmen, dennoch werden sie unserer Ansicht nach durch allgemein stabile Kapitalbilanzen, flexible Währungssysteme und die 2021 vom IWF gewährten SZR-Zuteilungen (Sonderziehungsrechte) unterstützt, die vor allem die Währungsreserven vieler anfälliger Schwellenländer gestärkt haben. Die Bonitätsnoten der Schwellenländer haben sich seit den Herabstufungen nach Ausbruch der Pandemie stabilisiert, und wir sehen nur eine geringe Gefahr für weitere Herabstufungen über den zyklischen Horizont.

Detaillierte Einschätzungen zu den Wirtschaftstrends 2022 und deren Anlageimplikationen erfahren Sie in unserem Konjunkturausblick „Investieren in einem dynamischen Konjunkturzyklus“.

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