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Die Fed: Vorerst in der Warteschleife

Trotz der erneuten Beschleunigung der Inflation und der anhaltenden Stärke des Arbeitsmarkts behält die Fed die Abwärtsrisiken im Auge.

Die Kommentare von Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank, fielen nach zweitägigen Beratungen zur Geldpolitik nicht so restriktiv aus wie von vielen befürchtet, da sich die Inflation und die konjunkturelle Dynamik in den USA im ersten Quartal wieder beschleunigt hatten. Powell räumte zwar ein, dass es wegen der anhaltend hohen Inflation später als bisher erwartet zu Zinssenkungen kommen werde. Er sagte aber auch, dass die Notenbanker Zinserhöhungen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätten. Ausbleibende Fortschritte bei der Eindämmung der Inflation im ersten Quartal könnten unserer Ansicht nach Leitzinssenkungen bis zum Jahresende oder sogar bis ins Jahr 2025 hinein verzögern.

Stattdessen scheinen die Notenbanker die Abwärtsrisiken, etwa die steigende Arbeitslosigkeit, im Auge zu behalten und kein Problem damit zu haben, einen Plan zu verfolgen, der der opportunistischen Strategie der Fed zur Inflationseindämmung aus den 1990er-Jahren ähnelt. Das könnte bedeuten, die Leitzinsen unverändert zu lassen, um einen sukzessiven Rückgang der Inflation zu ermöglichen. Kurz gesagt: Die Fed ist der Ansicht, dass die Kosten einer geldpolitischen Straffung die Vorteile eines schnelleren Rückgangs der Inflation übersteigen.

Dennoch gab die Mai-Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) einen weiteren Hinweis darauf, dass sich die Reaktion der Fed auf makroökonomische Rahmenbedingungen dramatisch verändert hat: Die Notenbank ist nun, da sich die Inflation wieder im Bereich von zwei Komma x Prozent bewegt, willens, Geduld zu zeigen. Allerdings ist sie auch bereit, die Zinsen zu senken, sollte die Konjunktur deutlich schwächeln und die Arbeitslosigkeit steigen.

Höher für längere Zeit

Das von der Fed bevorzugte Maß für die Inflation (Kerninflation der persönlichen Konsumausgaben, PCE) stieg im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf annualisierter und saisonbereinigter Basis wieder auf 3,7 Prozent, nachdem die Zielmarke in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen erreicht worden war. Wir gehen davon aus, dass dieser Inflationsindikator im zweiten Quartal wahrscheinlich bei etwa drei Prozent verharren wird. Die erneute Beschleunigung der Teuerung führte jedoch nicht zu einer deutlichen Änderung des Tons des Notenbank-Präsidenten Powell. In einem Gespräch mit Journalisten nach der Sitzung des FOMC betonte er, dass die Geldpolitik weiterhin restriktiv bleibe. Er merkte an, dass die Fed die Zinsen senken könnte, wenn sich die Abwärtsrisiken für den Arbeitsmarkt materialisieren sollten. Zudem wiederholte er, dass Faktoren wie die verbleibende Saisonalität, Sondereffekte zu Jahresbeginn und das statistische Grundrauschen dafür sorgen könnten, dass der aktuell beobachtbare Wiederanstieg der Inflation nur vorübergehender Natur sei. Eine Zinserhöhung sei zum jetzigen Zeitpunkt noch „sehr unwahrscheinlich“, sagte er.

Restriktive Revisionen stehen bevor

Obwohl Powell darauf achtete, keine größeren Veränderungen im Ausblick der Fed anzudeuten, gehen wir nach wie vor davon aus, dass die Notenbanker ihre Prognosen bei der nächsten Tagung im Juni deutlich revidieren werden. Insbesondere erwarten wir, dass die Teilnehmer des FOMC ihre Prognose für die Kerninflation der persönlichen Konsumausgaben (PCE) von 2,6 Prozent im März auf etwa drei Prozent nach oben korrigieren und auch ihre Prognosen für den Zinspfad (also den künftigen Verlauf der Zinsstrukturkurve) anheben werden. Wir gehen davon aus, dass der Mittelwert der Zinsprognosen für 2024 mindestens eine Kürzung implizieren wird. Allerdings besteht aufgrund der höheren Inflation immer noch das Risiko, dass es in diesem Jahr überhaupt nicht zu einer Zinssenkung kommen wird.

Auslaufen lassen und ausweiten

Die Fed kündigte außerdem eine „taper and extend“ genannte Änderung ihrer Bilanzpolitik an, was sich grob mit „auslaufen lassen und ausweiten“ übersetzen lässt. Die Notenbank wird die Rate, mit der sie Staatsanleihen aus ihrer Bilanz herausnimmt, von 60 Milliarden US-Dollar auf 25 Milliarden US-Dollar pro Monat drosseln. Wie erwartet, wird sich das Tempo des Abflusses von mit Hypotheken besicherten Wertpapieren nicht ändern. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass die Einzahlungen durchweg unter den Obergrenzen lagen, und die Notenbanker unserer Meinung nach auf lange Sicht eine Bilanz bevorzugen würden, die sich ausschließlich auf US-Staatsanleihen bezieht. Die Entscheidung, diese Änderung bei der Sitzung des FOMC im Mai umzusetzen, also zu einem Zeitpunkt, an dem noch reichlich Reserven vorhanden sind, lässt darauf schließen, dass die Fed beabsichtigt, die quantitative Straffung bis 2025 fortzusetzen.

Zurück in die 1990er-Jahre?

Die aktuelle Strategie der Fed – die Zinsen unverändert zu lassen, auch wenn die Inflation über dem Zielwert bleibt – weist Parallelen zur Strategie der „opportunistischen Inflationseindämmung“ der 1990er-Jahre auf.

In ihrer wegweisenden Schrift „The Opportunistic Approach to Disinflation“ aus dem Jahr 1997 argumentieren Athanasios Orphanides und David W. Wilcox, dass die Zentralbank bei erhöhter Inflation ihre Geldpolitik ausreichend restriktiv gestalten sollte, um die Inflation wieder in Richtung Zielwert zu drücken. Sobald die Inflation jedoch unter eine bestimmte Schwelle gefallen ist – in den 1990er-Jahren lag diese offenbar zwischen drei und vier Prozent –, sollte sich die Fed asymmetrisch verhalten und versuchen, einer erneuten Beschleunigung der Teuerung vorzubeugen, gleichzeitig aber eine Straffung der Geldpolitik so weit zu vermeiden, dass kein weiterer Stress für die realwirtschaftliche Dynamik oder die Beschäftigung entsteht. Für die Fed ist unserer Ansicht nach heute ein längerer Zeitraum mit einer Inflation von mehr als drei Prozent der besagte Schwellenwert.

Folgende Parallele könnten die Vertreter der Fed zu den 1990er-Jahren ziehen: Wie nämlich das starke Produktivitätswachstum in dieser Zeit dazu beitrug, den Inflationsdruck zu verringern, und wie die Einbeziehung Chinas in den Welthandel zu Zuwächsen auf der Angebotsseite beitrug – zwei Faktoren, die unserer Ansicht nach für eine sanfte Landung nach einer Phase erhöhter Inflation erforderlich sind. Vertreter der Fed haben wiederholt betont, dass ihrer Meinung nach angebotsseitige Verbesserungen – darunter die Normalisierung chinesischer Lieferketten nach den pandemiebedingten Störungen und mehr Zuwanderung – eine wichtige Rolle beim Erreichen ihrer Inflationsziele spielen. Da jedoch Produktivitätszuwächse durch KI wahrscheinlich erst über einen längeren Zeitraum zu erwarten sind, und Chinas Handelspartner größere Bedenken hinsichtlich des wachsenden Überangebots an Billigwaren haben, gibt es zwischen der Gegenwart und den 1990er-Jahren auch einige wesentliche Unterschiede. Die Inflation könnte sich weiterhin als hartnäckig erweisen, sodass die Leitzinsen hoch bleiben und die Fed an ihrer aktuellen Strategie festhält, die Leitzinsen also nicht weiter senken, aber auch nicht erhöhen wird.

Autor

Tiffany Wilding

Volkswirtin Nordamerika

Allison Boxer

Economist

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