Blickpunkt

Die Lage bei europäischen Asset‑Swaps

In einem Umfeld mit rekordniedriger Liquidität an den europäischen Märkten trugen Swap-Geschäfte, die Flucht in sichere Anlagen und der Mangel an Sicherheiten zu Verzerrungen der Asset-Swap-Kurve bei und schufen Gelegenheiten für aktive Manager, Liquidität bereitzustellen und das Renditepotenzial zu steigern.

Wir haben mehr als ein Jahrzehnt mit längerfristig niedrigen Zinssätzen hinter uns, das durch eine Kombination aus der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihren eindringlichen Niedrigzinsversprechen herbeigeführt wurde. Mittlerweile sind die europäischen Zinssätze stärkeren Schwankungen ausgesetzt, seit die großen Zentralbanken Abstand von ihren Zinsausblicken genommen und ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht haben, sich gänzlich an der Datenlage zu orientieren.

Der Inflationsdruck, entstanden aus der aufgestauten Nachfrage infolge der Pandemie, die Lieferengpässe und die steigenden Energiekosten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg haben die EZB dazu gezwungen, ihre Nettowertpapierkäufe im Juni zu beenden und sich vorzeitig auf Zinserhöhungskurs zu begeben, beginnend mit einer Anhebung um 50 Basispunkte auf der Sitzung im Juli. Die erhöhte Volatilität, gepaart mit einer rekordniedrigen Liquidität, führte zu Verzerrungen an den europäischen Märkten. So preisen Bundesanleihen zunehmend höhere Prämien ein, obwohl die EZB ihr Programm zum Ankauf von Vermögenswerten frühzeitig zurückgefahren hat und weitere Corona-Konjunkturprogramme und Energie-Entlastungspakete beschlossen wurden.

Die Differenz zwischen der Rendite von Bundesanleihen und dem Swapsatz – der so genannte Bund-Spread – ist auf historische Höchststände gelangt, wobei Bundesanleihen infolge der Geldschwemme nunmehr mit höheren Risikoprämien gehandelt werden als während der Schuldenkrise von 2011. Auch ist die Differenz größer als zum Höhepunkt des deutschen Sicherheitenmangels in den Jahren 2016 und 2017, als die Währungshüter ihre Anleihenkäufe nur innerhalb eines beschränkten Pools erlesener Wertpapiere tätigten.

Was sind Anleihe-Spreads und warum werden sie als Relative-Value-Trade verwendet?

Ein Asset Swap (ASW) kombiniert eine festverzinsliche Anleihe mit einem Zins-Swap, um das Durationsrisiko abzusichern. Ein Asset Swap mit Staatsanleihen, zum Beispiel mit Bundesanleihen, befähigt die Anleger, an der Differenz zwischen der Rendite von Bundesanleihen (Cash-Anleihen oder Futures) und dem Swap-Satz für Papiere gleicher Laufzeit zu partizipieren. Auf dies Weise lässt sich eine Einschätzung dazu abgeben, ob Bunds im Verhältnis zu Swaps eher teuer oder günstig sind. Wenn Anleger der Meinung sind, dass die Bund-Renditen im Vergleich zu den Swa-Sätzen zu hoch sind, können sie einen sogenannten ASW Tightener (eine Short-Position auf den Asset Swap) eingehen, indem sie Bundesanleihen verkaufen und dafür gleichzeitig Swaps mit gleicher Laufzeit erhalten.

Ausschlaggebend für die ASW-Spreads sind das Angebot an Staatsanleihen (je geringer das Angebot, desto weiter der Spread, da die Staatsanleihen eine Knappheitsprämie einpreisen), der Repo-Satz, die Dynamik der Risikobereitschaft und die Swap-bedingten Mittelbewegungen.

Abbildung 1: Über ein Jahrzehnt der ASW-Bewegungen

Abbildung 1: Das Schaubild zeigt die Entwicklung der zwei-, fünf-, zehn- und 30-jährigen Asset-Swap-Spreads im letzten Jahrzehnt. Aktuell liegen die Spreads zehnjähriger Bundesanleihen auf einem Allzeithoch (knapp 100 Basispunkte) – ein Niveau, dem sie sich lediglich 2011 während der Staatsschuldenkrise näherten.

Treiber der Ausweitung im Jahr 2022

Obwohl die EZB ihr quantitatives Lockerungsprogramm zurückfährt und die Regierungen der Corona- und der Energiekrise mit Konjunkturprogrammen begegnen, trotzten die ASW-Spreads den Markterwartungen, indem sie neue Allzeithochs verzeichnen. Die Ausweitung seit Jahresbeginn ist auf mehrere Triebkräfte zurückzuführen:

Flucht in sichere Anlagen

Erstens haben der russische Einmarsch in die Ukraine und die Gasknappheit eine Flucht in hochwertige Anlagen angestoßen, da die Anleger nach Widerstandsfähigkeit in einem unsicheren makroökonomischen Umfeld suchen, wodurch die Nachfrage nach erstklassigen Bundesanleihen wächst. Das erklärt teilweise, warum sich deutsche Papiere im Zuge des Abverkaufs seit Jahresbeginn besser schlugen als Swaps. Während die Bund-Prämien gestiegen sind, gilt es indessen zu beachten, dass andere Indikatoren für Marktspannungen (etwa der Renditeunterschied zwischen Forward Rate Agreements und Overnight Indexed Swaps – ein Maß für das Kreditrisiko im Bankensektor) kaum verändert sind. Darüber hinaus fällt der Renditeaufschlag von Staatsanleihen gegenüber Swaps in anderen Ländern geringer aus (in Deutschland hat sich der zehnjährige ASW-Spread weitaus stärker ausgeweitet als in Großbritannien und den USA). Das legt nahe, dass es sich um eine Verzerrung aufgrund von spezifischen Gegebenheiten in der Eurozone handelt und keine allgemeinen Marktspannungen im Entstehen sind.

Mangel an Sicherheiten/Repo-Dynamik

Zweitens hat die EZB ihre Bestände an Bundesanleihen, die sie im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms (PEPP) erworben hat, dank ihrer Flexibilität bei der Reinvestition zwar zügig reduziert. Trotzdem sind viele Sicherheiten noch immer nicht verfügbar (der Streubesitz von Bundesanleihen liegt unter 25 Prozent). Diese Sicherheiten werden vermutlich nicht so bald freigegeben, weshalb Asset Swaps mit kurz laufenden Bundesanleihen maßgeblich für die Ausweitung verantwortlich waren und sich die ASW-Kurve inzwischen umgekehrt hat. Wie Abbildung 2 zeigt, ist die Nachfrage nach Sicherheiten über die Wertpapierleihe der EZB deutlich gestiegen, seit die EZB ihre monatliche Beleihungsgrenze Ende 2021 infolge des Mangels an Sicherheiten von 75 Milliarden Euro auf 150 Milliarden Euro angehoben hatte.

Abbildung 2: Sprunghafter Anstieg der monatlichen Wertpapierleihgeschäfte der EZB seit Ende 2021

Abbildung 2: Das Schaubild zeigt den monatlichen Umfang der von der Europäischen Zentralbank getätigten Wertpapierleihgeschäfte seit Juni 2015. Dieser stieg von rund 20 Milliarden Euro pro Monat im Jahr 2016 auf 110 Milliarden Euro pro Monat. Etwa die Hälfte dieses Betrags entfiel auf Wertpapierverpfändungen von Barsicherheiten und die andere Hälfte auf Wertpapierverpfändungen von anderen Wertpapiersicherheiten.

Bilanzstrukturmanagement von Banken

In einem Umfeld mit eingeschränkter Liquidität hat das Aktiv-Passiv-Management der Geldhäuser ebenfalls maßgeblich zur Ausweitung der Spreads beigetragen. Die Bilanzen der meisten europäischen Institute (überwiegend deutsche, französische und niederländische) weisen eine negative Konvexität auf der Aktiv- und der Passivseite auf. Demnach sind sie bei rückläufigen Märkten zum Verkauf und bei steigenden Märkten zum Kauf von Durationspositionen gezwungen. Da sie sich hauptsächlich über Swaps absichern, werden die ASW-Spreads bei einer Verkaufswelle somit tendenziell in die Höhe und bei einer Kursrally nach unten getrieben.

Die heftigen Kursanpassungen der Zinssätze seit Beginn des Jahres hatten zur Folge, dass Geldhäuser die Absicherungsinstrumente auf beiden Seiten ihrer Bilanzen wieder ins Gleichgewicht bringen mussten. Auf der Aktivseite müssen Banken einen festen Zinssatz für Swaps zahlen, um die Duration neu vergebener Hypotheken abzusichern. Da die Hypothekenanträge in der Erwartung steigender Zinssätze zunahmen, mussten die Finanzinstitute mehr Swap-Geschäfte tätigen (sog. Mortgage Flow Hedging). Zusätzlich zur Absicherung neuer Hypotheken mussten Banken die Duration ihrer bestehenden Swaps verlängern, da die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung von bestehenden Hypotheken sinkt, wenn die Zinsen steigen (sog. Stock Hedging). Auf der Passivseite ihrer Bilanzen müssen Geldinstitute einen festen Zinssatz für Swaps zahlen, um sich gegen die kürzere Duration von Spareinlagen abzusichern: Bei steigenden Zinsen verbleiben Bareinlagen im Schnitt kürzer auf Bankkonten, da höher verzinsliche Geldanlagen bessere Alternativen bieten.

Abbildung 3: Die Hypothekenvergabe hat in der Erwartung steigender Zinsen rasant zugenommen, beginnt sich nun aber wegen der abnehmenden Erschwinglichkeit zu verlangsamen

Abbildung 3: Die Grafik zeigt die Entwicklung der monatlichen Hypothekenvergabe durch Banken im Euroraum seit 2000. 2014 lag der monatliche Umfang nahe null und ist 2021 auf 30 Milliarden Euro gestiegen, bevor er bis 2022 allmählich auf 20 Milliarden Euro zurückging.

Wie geht es nun weiter?

Wie bereits erwähnt, hat eine Vielzahl von Faktoren dazu beigetragen, die ASW-Spreads auf neue Allzeithochs zu befördern. Gleichwohl dürfte es keine strukturellen Gründe für ein anhaltend erhöhtes Niveau geben. Mit Blick auf das aktuelle Niveau scheint es zurzeit attraktiv, Positionen mit langer Duration von Bundesanleihen auf Swaps umzuschichten, um auf mittlere Sicht von einer Normalisierung der ASW-Spreads zu profitieren.

Was Anleihen betrifft, schloss die EZB ihr Ankaufprogramm im Juni ab, und dank ihrer Flexibilität bei der Reinvestition im Rahmen von PEPP fand im Zeitraum Juni/Juli eine beträchtliche Umgewichtung von den Kern- auf die Peripherieländer statt (in erster Linie durch den Verkauf deutscher und den Erwerb italienischer Titel). Dies dürfte seinen Teil dazu beitragen, den Mangel an Bundesanleihen im Lauf der Zeit zu verringern. Außerdem ist anzunehmen, dass Deutschland im Rahmen der Energie-Entlastungspakete neue Papiere ausgeben wird, da die Nation am stärksten von der Gasknappheit in Europa betroffen ist. Als weitere Maßnahme, um den Mangel an hochwertigen Sicherheiten potenziell zu verringern, könnte die EZB mit der Ausgabe von Einlagenzertifikaten beginnen, um überschüssige Liquidität abzubauen – damit würde sie Nichtbanken den Zugang zur Einlagefazilität eröffnen und den Markt mit hochwertigen Sicherheiten versorgen.

Was Swaps betrifft, tätigen Unternehmen in der September-Emissionssaison für gewöhnlich zahlreiche Swap-Geschäfte, da sie Schuldtitel begeben und parallel dazu Swap-Geschäfte gleicher Laufzeit vornehmen, um feste Kuponzahlungen wieder in variable umzuwandeln. Dadurch könnte einen Teil der Swap-bedingten Zahlungsströme aus den Bankbilanzen absorbiert werden.

Wenn man bedenkt, dass die Swap-Spreads auf Allzeithochs rangieren, ist es zudem eher unwahrscheinlich, dass diese Mittelbewegungen durch Anleger ausgeglichen werden, die diese neuen Anleihen auf ASW-Basis erwerben. Auch könnte der Höhepunkt der Mittelbewegungen bei auf Euro lautenden Swaps bereits hinter uns liegen, da die Zinssätze inzwischen deutlich gestiegen sind (weniger neue Hypotheken, während die Duration bestehender Hypotheken bereits deutlich verlängert wurde).

Damit sich die Swap-Spreads wieder deutlich einengen, müsste ein Teil der Abhilfe allerdings auch vom Markt für Pensionsgeschäfte (Repo-Markt) und einem verringerten Sicherheitenmangel ausgehen. Da die EZB und die DFA den Mammutanteil an ausstehenden Anleihen halten, könnte die mögliche Einführung einer Fazilität für umgekehrte Pensionsgeschäfte (Reverse Repurchase Agreements, kurz RRP) mit Zugänglichkeit für Nichtbanken – zu der die EZB kürzlich ein Arbeitspapier veröffentlicht hat – eine Einengung der Spreads und eine Versteilerung der ASW-Kurve bewirken. Damit sich dies bemerkbar macht, müsste die Bundesbank aber auch ihre Kreditlimits für Vertragsparteien lockern.

Marktverzerrungen bieten aktiven Managern Potenzial für höhere Anlagerenditen

Die Marktverzerrungen der Asset-Swap-Kurve sind zum Teil durch die höhere Volatilität und die rekordniedrige Liquidität an den europäischen Märkten bedingt. Dass sich die Bund-Spreads auf Allzeithochs ausgeweitet haben, gibt aktiven Managern die Gelegenheit, den Markt mit Liquidität zu versorgen und das Renditepotenzial zu steigern, indem sie Positionen mit langer Duration von Bundesanleihen auf Swaps umschichten.

Autor

Konstantin Veit

Portfolio Manager, Leiter European Rates- und Short-Term Desks, CFA

Sara Adjir

Portfolio Manager

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