Blickpunkt US‑Präsidentschaftswahlen: Ausblick für die US‑Fiskalpolitik und Unternehmensanleihen Ein politischer Umschwung zugunsten der Demokraten könnte deutliche Konsequenzen auch für Unternehmensanleihen haben.
Wenige Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen nehmen Beobachter das „Big Picture“ ins Visier: Sie blicken nicht mehr ausschließlich auf einzelne Themen oder das Procedere der Wahl, sondern auf die möglichen Auswirkungen der Wahl. Wir bei PIMCO halten zwei Szenarien für am wahrscheinlichsten – und wir denken, es ist durchaus wert, diese näher zu erläutern: Ein breiter Umschwung zugunsten der Demokraten: Der Ex-Vizepräsident Joseph R. Biden, Jr. zieht ins Weiße Haus, die Demokraten behalten die Mehrheit im Repräsentantenhaus und holen sich auch die Mehrheit im Senat zurück (wenngleich mit nur knappem Vorsprung). Wir betrachten dieses Szenario weiter unten zuerst und im Detail, weil es in diesem Fall wahrscheinlich zu substanziellen politischen Richtungsänderungen käme. Eine Status-Quo-Wahl, bei der Donald J. Trump wiedergewählt wird und auch die Zusammensetzung des Kongresses unverändert bleibt, es also ein demokratisch dominiertes Repräsentantenhaus und einen republikanisch geführten Senat gibt. Wie würden Märkte für risikobehaftete Wertpapiere in diesen beiden Szenarien reagieren? Natürlich ist es schwierig, exakt vorherzusagen, wie die Märkte sich verhalten würden. 2016 waren sich alle Beobachter einig, dass ein Sieg Trumps einen Ausverkauf an den Börsen auslösen würde. Tatsächlich kam es jedoch zu einer Hausse in den folgenden Jahren. Wenn es überhaupt etwas aus der Geschichte zu lernen gibt für das Verhalten von Risikomärkten, dann das: Sie sind ziemlich immun gegen Wahlergebnisse. Egal, ob im Weißen Haus Republikaner oder Demokraten das Sagen hatten, die Märkte haben sich seit 1932 durchweg positiv entwickelt. Nimmt man den S&P 500 Index als Richtschnur, dann haben sie unter demokratischen Regierungen marginal besser abgeschnitten als unter republikanischen, am besten überhaupt allerdings wenn die eine Partei den Präsident, die andere die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellte. Es ist schwierig abzusehen, in welche Richtung sich die Aktienmärkte entwickeln werden. Einfacher ist es hingegen, jene Branchen zu identifizieren, die unter den beiden Wahl-Szenarien zu den potenziellen Gewinnern und Verlieren gehören könnten. Welche politischen Richtungswechsel sollten wir von einem demokratischen Umschwung erwarten? Wir rechnen damit, dass ein US-Präsident Biden und ein demokratisch dominierter US-Kongress folgenden Gesetzesvorhaben Vorrang einräumen würden: Modernisierung der Infrastruktur (über die Sanierung von Brücken und Straßen hinaus) bis zu einem landesweiten Breitband-Ausbau und klimafreundlichen Gebäuden und Schulen Stärkung des „Affordable Care Act“ (ACA), indem dieser eine solidere legale Fundierung erhält und gewährleistet wird, dass er für die Bezieher mittlerer Einkommen erschwinglicher wird. Wir können uns auch vorstellen, dass die Demokraten ein Gesetz verabschieden, das die Rezeptgebühren verschreibungspflichtiger Medikamente reformiert. Das würde die Kosten von Medikamenten senken, weil es Medicare erlaubt wäre, die Preise solcher Mittel zu verhandeln, ähnlich den aktuellen Programmen in anderen Behörden und Regierungsstellen, einschließlich der Veteranen-Verwaltung. Moderate Steuererhöhungen, um einige dieser Vorhaben gegen zu finanzieren. Wir denken, es wird eher evolutionäre als revolutionäre Schritte geben. Eine Anhebung der Körperschaftssteuer auf 25 Prozent (entgegen den vorgeschlagenen 28 Prozent) könnte einen knapp demokratisch beherrschten Senat gerade noch so passieren. Fokus auf klimafreundliche regulatorische Veränderungen wie zum Beispiel Reduzierung der Emissionen aus fossilen Brennstoffen und Begrenzung von „Fracking“ auf staatlichem Land. Umfassende Hilfszusagen für Bundesstaaten, Städte und Firmen zur Abfederung der COVID-19-Folgen, sofern der Kongress bis Januar 2021 nicht zusätzliche Anreize und Programme verabschiedet hat. Branchen-Ausblick für den Fall eines demokratischen Umschwungs (mit Blick auf die Anleihenmärkte) Die Gewinner: Erneuerbare Energien Krankenhäuser Bauwirtschaft, insbesondere privater Hausbau und Infrastruktur Die Verlierer: Firmen, die Öl- und Erdgasvorkommen erkunden, fördern und verarbeiten, insbesondere solche, die auf öffentlichem Grund und Boden Bohrarbeiten durchführen, sowohl an Land als auch auf offener See. Chemische Industrie Gesundheitssektor und Pharmabranche Neutral (weder Gewinner noch Verlierer): Finanzwirtschaft Technologie-Branche Die Aktien- und Anleihenmärkte könnten unter Umständen einen demokratischen Umschwung nicht richtig antizipieren Die Wahlen des Jahres 2020 sind eine durchaus bedeutende „Wild Card“ für die Fundamentaldaten von Anleihen, und zwar für 2021 und darüber hinaus. Denn ein demokratischer Umschwung würde vermutlich zu wesentlichen Politikwechseln führen mit signifikanten Auswirkungen auf der Makro- und Sektor-Ebene. Die Anleihenmärkte haben sich seit März primär auf die Auswirkungen der weltweiten Pandemie und den Pfad der wirtschaftlichen Erholung im Jahr 2021 fokussiert. Die Pandemie-abhängigen Verwerfungen und die Unsicherheit über den Wahlausgang könnten bedeuten, dass die Zins-Spreads auf der Branchen-Ebene die Auswirkungen eines demokratischen Umschwungs nicht vollständig einpreisen. Falls es dazu kommt, könnte die Volatilität bestimmter Sektoren Anfang November zunehmen. Wir denken auch, dass im Fall eines demokratischen Umschwungs die Finanzmärkte zunächst höhere Steuern einpreisen würden – einschließlich Körperschaftssteuern, Einkommenssteuern von Privathaushalten und Steuern aus Kapitalerträgen. Das könnte für die Aktienbörsen und auch für die Märkte für Firmenanleihen ein Problem darstellen, weil sie derzeit über ihren durchschnittlichen Bewertungen notieren. Der Ein-Jahres-Ausblick für die KGVs im S&P 500 liegt bei ungefähr 20,0x und damit deutlich über dem Zehn-Jahres-Schnitt von 15,5x. Gleichzeitig haben sich die Zins-Spreads seit März normalisiert. Der „BofA Merrill Lynch U.S. High Yield Index“ erreichte seinen Tiefpunkt Ende März mit 11,39 Prozent und hat sich seither auf 5,30 Prozent zurückbewegt, nicht weit weg von seinem Wert von 5,14 Prozent vor der Pandemie. Dennoch glauben wir, dass diese potenzielle Verwerfung nur temporärer Natur sein wird. Andere mögliche Risiken, die wir beobachten, umfassen die Möglichkeit, dass Anleger versucht sein könnten, Assets zu verkaufen, Gewinne zu realisieren und diese zu den aktuellen Sätzen zu versteuern, weil sie nach der Wahl höhere Kapitalertragssteuern erwarten. Das könnte die Märkte im November und Dezember volatiler werden lassen. Auch könnte es dazu kommen, dass Firmen ihre Erträge zeitlich nach vorne ziehen, diskretionäre Ausgaben aber verschieben. Schlussendlich könnten Unternehmen auch versucht sein, die Emission von höherverzinslichen Anleihen so lange zu verschieben, bis höhere Körperschaftssteuern eingeführt worden sind (2016/17 konnten wir das gegenteilige Verhalten beobachten). Im Großen und Ganzen rechnen wir damit, dass ein demokratisch dominierter Kongress mit Steuererhöhungen früher oder später Ernst machen wird. Aber wir erwarten, dass diese Steueränderungen eher evolutionär als revolutionär ausfallen werden. Welche politischen Veränderungen können wir erwarten, wenn die Wahlen den Status Quo bestätigen? Die Liste möglicher Veränderungen in einer zweiten Amtsperiode von Trump und einem geteilten Kongress (demokratisches Repräsentantenhaus, republikanischer Senat) wäre deutlich kürzer. Viele Politikfelder blieben sogar unangetastet. Trump könnte versuchen, ein Steuergesetz in ein demokratisch geführtes Repräsentantenhaus einzubringen, aber ein solches Vorhaben wäre schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Was wir hauptsächlich erwarten: Trump dürfte seine Politik der nur lockeren Regulierung fortsetzen, insbesondere im fossilen Energiesektor, in der Finanzbranche und im Bereich Telekommunikation. Verabschiedung eines eher bescheidenen Infrastruktur-Gesetzes, weil das eines der wenigen Felder ist, für das es eine relativ breite überparteiliche Unterstützung gibt, wobei auch hier der Teufel in den Details steckt. Beschneidung des ACA und seiner Versicherungsdeckung. Das könnte passieren, wenn der Oberste Gerichtshof entscheidet, bestimmte Teile des ACA zu kippen, und der neue Kongress und die Regierung sich nicht darauf einigen können, diese Deckungen und Zusagen durch die Einbringung eines entsprechenden Gesetzes wiedereinzuführen. Branchen-Ausblick für den Fall eines Status-Quo-Wahlausganges (mit Blick auf die Anleihenmärkte): Die Gewinner: Private Bauherren Finanzsektor Gesundheitssektor und Pharmabranche Die Verlierer: Krankenhäuser Neutral (weder Gewinner noch Verlierer): Erneuerbare Energien Technologie-Branche, insbesondere Teil-Sektoren, die von den sino-amerikanischen Beziehungen abhängig sind Chemische Industrie Energie-Branche: Pipelines sowie Firmen, die auf Exploration und Produktion auf öffentlichem Land spezialisiert sind Wir glauben, dass ein Sieg von Trump und ein geteilter Kongress einen leicht positiven Effekt auf die Kredit- und Anleihenmärkte hätten, weil es die Unsicherheit reduzieren würde und die gegenwärtige Steuerpolitik in Kraft bliebe. Allerdings würde dies kompensiert werden durch Trumps streitlustige Außenpolitik, vor allem gegenüber China. Folgenden Orientierungspunkt gibt es: In den zwei Monaten nach Trumps Wahlsieg 2016 schnitten die Finanzbranche, Kommunikationsdienstleister und der Energiesektor besser als der Markt ab, während defensive, weniger konjunktursensible Branchen schwächer liefen, namentlich nicht-zyklische Konsumgüter, Energiewerte und der Gesundheitssektor. Wie gehen davon aus, dass ein Status-Quo-Wahlausgang eine identische reflexartige Reaktion herbeiführen würde, weil der Markt für diesen Fall eine robustere wirtschaftliche Erholung antizipiert. Nur, Geschichte wiederholt sich nicht immer. Schlussfolgerungen: Der Finanzsektor steht vor Herausforderungen: Auch wenn wir für den Fall eines Trump-Sieges von einer breiteren konjunkturellen Erholung und einer Atempause bei den umfangreichen finanzpolitischen Regulierungen ausgehen, so bleiben die anhaltend niedrigen Zinsen, mit denen die Banken nun schon seit vier Jahren leben müssen, vermutlich ein Unsicherheitsfaktor für die zugrunde liegende Aktien-Performance der Branche. Ausgewählte Kredit-Papiere und Anleihen könnten da deutlich besser abschneiden. Die Energiebranche leidet unter langfristigen Veränderungen: Präsident Trumps energie-freundliche Politik hat den Öl- und Gas-Firmen nur wenig geholfen. Diese wurden behindert von strengeren Auflagen in Sachen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), von dem beschränkten Zugang zu Investorengeldern angesichts schwacher Renditen und von langfristigem Gegenwind (zum Beispiel durch Elektro-Fahrzeuge und erneuerbare Energien). Die Tech-Branche ist gefangen im politischen „Fall Out“: Wir erwarten, dass der sino-amerikanische Handelskonflikt weiter am Köcheln bleibt. Das wiederum hat Nebenwirkungen vor allem für Aktien aus dem Technologie-Sektor und für Hochzins-Firmenanleihen, wie wir an den andauernden Kontroversen um Huawei und TikTok ablesen können. Zusammenfassung Jeder der beiden wahrscheinlichsten Wahlausgänge – ein demokratischer Umschwung oder eine Fortsetzung des Status Quo – hält unterschiedliche Aussichten für bestimmte Branchen bereit. Die Zins-Spreads haben möglicherweise noch nicht die Auswirkungen eines demokratischen Umschwungs eingepreist, was die Volatilität an den Märkten zu Beginn des Monats November zunächst erhöhen könnte. Der Aktienmarkt hat sich in der Vergangenheit unter einem demokratisch regierten Weißen Haus stets ein wenig besser entwickelt als unter einem republikanischen Präsidenten. Am besten schnitt er jedoch mit einer „geteilten“ Regierung ab. Mehr zu unserem langfristigen Ausblick für Märkte und Weltwirtschaft lesen Sie in den Schlussfolgerungen aus dem langfristigen Ausblick: Eskalierende Marktumbrüche.
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