Blickpunkt Langfristiger Ausblick für Europa: Aussicht auf mehr Stabilität Die Corona-Krise fördert den Zusammenhalt, es stehen aber neue Herausforderungen bevor.
Der wirtschaftliche Schock infolge der Corona-Pandemie und die zunehmende Besorgnis über den Klimawandel haben die Koordination zwischen den europäischen Entscheidungsträgern verbessert. In unseren Augen hat dies die negativen Extremrisiken verringert und die Voraussetzungen für eine langfristig höhere Stabilität im Euroraum geschaffen. Doch ähnlich wie die übrige Welt dürfte auch Europa durch ein radikal verändertes makroökonomisches Umfeld auf die Probe gestellt werden. Wie in unserem aktuellen Langfristigen Ausblick erläutert, verblasst das vor der Pandemie herrschende Jahrzehnt der Neuen Normalität, das sich durch ein unterdurchschnittliches, aber stabiles Wachstum, eine Inflation unter der Zielvorgabe, eine gedämpfte Volatilität und satte Anlageerträge auszeichnete, zusehends im Rückspiegel. Vor uns scheint ein ungewisseres und uneinheitlicheres Wachstums- und Inflationsumfeld zu liegen, das viele Fallstricke für politische Entscheidungsträger birgt. Zum Glück scheint Europa besser vorbereitet zu sein als in der Vergangenheit. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Rolle als Kreditgeber der letzten Instanz für die Euro-Länder gestärkt, und der 800 Millionen Euro schwere EU-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU (NGEU) hat das Tabu gebrochen, Transferzahlungen an andere Staaten über die Emission gemeinsamer Anleihen zu leisten. Sein Ziel ist es, öffentliche und private Gelder in Bereiche der Wirtschaft zu lenken, in denen künftig höhere Realeinkommen zu erwarten sind: grüne und digitale Sektoren. Obwohl die im Rahmen des Fonds ausgegebenen Anleihen streng genommen keine Eurobonds darstellen, sind sie in unseren Augen ein wichtiger Schritt in Richtung einer größeren steuerlichen Kohärenz. Unter dem Strich steht Europa unseres Erachtens jedoch eher eine Evolution denn eine Revolution bevor. So scheint eine Änderung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nach wie vor in weiter Ferne, während politische und moralische Risikoerwägungen weiterhin einen erheblichen Risikoaufschlag rechtfertigen. Herauszuheben ist aber, dass Europa in Zeiten des Wirtschaftsabschwungs eine besser abgestimmte politische Reaktion befürworten sollte als in den Jahren 2008 und 2011 – als die Entscheidungsträger weniger eindringlich und schlechter koordiniert auf die globale Finanzkrise reagierten. Eine verbesserte Koordination sollte zumindest die Aussicht auf einen langfristig weniger krisenanfälligen und stabileren Euroraum eröffnen. Der Corona-Schock war wahrlich ein enormer Stresstest für den Zusammenhalt der Eurozone. Dass die politische Reaktion wesentlich überzeugender als in früheren Zeiträumen ausfiel, ist ein gutes Zeichen für Risikoanlagen. Deutschland gibt den Ton an Die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung, die ihr Amt bereits in wenigen Wochen antreten soll, wird vermutlich den Ton für ganz Europa und damit auch für die EZB angeben. Unserer Einschätzung nach werden die neuen Entscheidungsträger in ihrer fiskalpolitischen Haltung weniger dogmatisch sein und Investitionen zur Modernisierung des Landes und zur Stärkung der Binnennachfrage in Betracht ziehen. Wobei wir nicht glauben, dass die neue Bundesregierung in Sachen Fiskalpolitik von einer konservativen auf eine verschwenderische Haltung umschwenken wird. Auch erwarten wir nicht, dass Deutschland zum Ende unseres langfristigen Horizonts ein Leistungsbilanzdefizit aufweist. Deutschland dürfte seine „Schuldenbremse“ beibehalten – eine 2009 eingeführte verfassungsrechtliche Regelung, die das strukturelle Defizit der Bundesregierung auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt. Nichtsdestotrotz dürfte die größte Volkswirtschaft Europas nach Möglichkeiten suchen, gewisse Elemente der Schuldenbremse zu ändern und eine etwas flexiblere Auslegung der Haushaltsregeln zuzulassen. Dies würde ein Signal an die übrigen europäischen Nationen senden – insbesondere im Hinblick auf die Reformen des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts, der das Haushaltsdefizit eines Staats auf drei Prozent und die Staatsverschuldung auf 60 Prozent des BIP begrenzt. Europa Die übrigen europäischen Länder werden vermutlich einen ähnlichen Ansatz verfolgen. Wir rechnen nicht mit einem radikalen Regimewechsel bei der Reformierung der Haushaltsregeln – ein Prozess, der bereits begonnen hat und nicht vor Ende 2022 abgeschlossen sein wird. Gleichwohl gehen wir davon aus, dass die Reformen der Fiskalpolitik mehr Spielraum einräumen werden, was vor allem der Erkenntnis zuzuschreiben ist, dass eine Haushaltskonsolidierung auf Kosten von Investitionen keine optimale Strategie zur Erreichung der Schuldentragfähigkeit ist. Ein Paradebeispiel hierfür ist das im vergangenen Monat von der Europäischen Kommission vorgelegte Diskussionspapier über eine Reform des Stabilitätspakts, das sich mit den Tilgungsplänen befasst. Ein weiterer Vorschlag für den Europäischen Stabilitätsmechanismus sieht vor, die Schuldenobergrenze in Anbetracht des verhalteneren Wachstumsumfelds von 60 auf 100 Prozent des BIP anzuheben, während die Defizitobergrenze von drei Prozent in Kraft bleiben soll. Alles in allem tendiert die voraussichtliche Entwicklung inzwischen wohl eher in Richtung Mehrausgaben, während die Wahrscheinlichkeit, dass fiskalpolitische Maßnahmen eine größere Rolle spielen, zugenommen und die Wahrscheinlichkeit von Sparmaßnahmen, insbesondere prozyklische Sparmaßnahmen in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs, abgenommen hat. Zugleich nehmen die Herausforderungen zu – Ungleichheit, Digitalisierung, Klimaschutz – und könnten den Regierungen höhere Ausgaben abverlangen. NGEU Das Gros dieser Ausgaben wird vermutlich in Verbindung mit dem EU-Wiederaufbaufonds stehen. Zwei seiner wichtigsten strukturellen Reformen und politischen Prioritäten sind auf den Klimawandel und die Digitalisierung ausgerichtet. Europa betreibt schon heute eine robuste Klimapolitik und möchte sich vermutlich als globaler Vorreiter positionieren. Der NGEU wurde im Juli 2020 als befristetes, einmaliges Instrument zur Ausgabe von Schuldtiteln eingerichtet, die nicht durch eine gesamtschuldnerische Bürgschaft gedeckt sind – streng genommen sind diese Wertpapiere also keine Eurobonds. Dennoch schafft der Fonds einen Präzedenzfall: Er sendet eine kraftvolle Botschaft und verfügt über das Potenzial, im Lauf der Zeit eine engere finanzielle und politische Integration im Euroraum, und im weiteren Sinne auch in ganz Europa, voranzutreiben. Auch wenn wir dies eindeutig als positive Entwicklung für Europa erachten, bedeutet sie nicht notwendigerweise, dass ein geringerer Handlungsbedarf besteht, die institutionelle Ausgestaltung weiter zu optimieren – insbesondere mit Blick auf die Eurozone. Inflation Werden die Mehrausgaben den Preisauftrieb anheizen? Wegen des Pandemieschocks und der zahlreichen Veränderungen, die sich über den langfristigen Anlagehorizont ergeben, ist die Unsicherheit erhöht. Gleichwohl lag die europäische Teuerungsrate schon lange vor Beginn der Pandemie deutlich unter dem Preisstabilitätsziel der EZB. Außerdem haben die europäischen Notenbanker weniger krisenbezogene Unterstützung geleistet als beispielsweise die USA, während auch die Finanzpolitik in den USA und im Vereinigten Königreich aktiver bleiben dürfte als im Euroraum. Daher ist es in unseren Augen weniger wahrscheinlich, dass Europa mittel- bis längerfristig mit einem drastischen Inflationsproblem aus der Pandemie hervorgehen wird. EZB Die EZB hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten ihrerseits in eine traditionellere oder auch konventionellere Zentralbank verwandelt. Ähnlich wie ihre Pendants weltweit fungiert sie als Kreditgeber der letzten Instanz und kauft beträchtliche Mengen an Staatsanleihen auf. Nach unserem Dafürhalten dient der im Juli 2021 als Teil der neuen EZB-Strategie abgegebene Zinsausblick vor allem dazu, den EZB-Rat von einem vorzeitigen Anziehen der geldpolitischen Zügel abzuhalten. Er gibt den Märkten die Gewissheit, dass die Währungshüter zunächst abwarten dürften und – indem er den EZB-Rat festnagelt und eine vorzeitige Straffung der Geldpolitik verhindert – sie ihre restriktiven Fehler der Jahre 2008 und 2011 nicht wiederholen. Die jüngste Phase der geld- und finanzpolitischen Zusammenarbeit lässt auf eine engere politische Abstimmung hoffen, sofern dies erforderlich ist. Unter den Staats- und Regierungschefs herrscht weitgehend Einigkeit, dass die EZB nicht wieder als alleiniger Akteur auftreten solle, wie es in der Vergangenheit zuweilen der Fall war. Politik Angesichts der institutionellen Struktur Europas wird die Politik – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene – ein entscheidender Treiber der Finanzmarktvolatilität bleiben. Derzeit mutet die politische Situation ohne Zweifel ein wenig stabiler an als in der Vergangenheit: Da sich die Anti-Euro-Rhetorik in nationalen Wahlkampagnen grundsätzlich nicht ausgezahlt hat, wurden radikalere Vorschläge aus den Wahlprogrammen der meisten Parteien gestrichen. Dennoch stellt die Politik einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor in einem gemeinsamen Währungsraum ohne gemeinsame fiskalische und politische Handlungsbefugnis dar. Diese Unsicherheit dürfte ein Faktor sein, den die Anleger ständig im Auge behalten und entsprechend managen müssen. Anlagekonsequenzen Während die Ausgangsbewertungen nur begrenzten Raum für eine Einengung der Spreads bieten und die makroökonomischen Aussichten nach wie vor mit hohen Risiken behaftet sind, verheißt ein weniger krisenanfälliger Euroraum im Allgemeinen Gutes für riskante Vermögenswerte. Spread-Papiere aus der Euro-Peripherie stufen wir nach wie vor positiv ein, vor allem aus Italien, während wir uns auf den Erhalt einer angemessenen Vergütung für die politische Unsicherheit konzentrieren. In Anbetracht der einzigartigen institutionellen Struktur des Euroraums und der ungleichen makroökonomischen Voraussetzungen erwarten wir, dass die Renditen in der Region verhältnismäßig besser verankert bleiben als in anderen Ländern der Welt. Daher sind wir mit Blick auf die Gesamtduration eher unabhängig von Referenzindizes positioniert. Nicht zuletzt halten wir an unserer Präferenz für europäische Positionen fest, die auf eine Versteilerung der Kurve setzen, da die EZB auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein sollte, ihre Leitzinsen anzuheben, während die davon abweichende Geldpolitik anderer Zentralbanken den Euro mittelfristig zu einer interessanten Finanzierungswährung machen könnte.
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