Die Wiederbelebung der Weltwirtschaft wird durch die politischen Unsicherheiten und die fortwährende Pandemie erschwert. Das setzt Anleger zusätzlichen Risiken aus, wir sehen aber auch Chancen. In diesem Beitrag spricht Dan Ivascyn, der die Income-Strategie von PIMCO gemeinsam mit Alfred Murata und Josh Anderson verwaltet, mit Anleihenstratege Esteban Burbano. Dabei gehen sie auf die Wirtschafts- und Marktansichten von PIMCO sowie auf die aktuelle Portfoliopositionierung ein.
Frage: Wie sieht der allgemeine Wirtschaftsausblick von PIMCO aus?
Ivascyn: Unsere längerfristigen Aussichten sind verhalten, bedingt durch eine Reihe von Störfaktoren, die wir in unserem jüngsten langfristigen Ausblick „Eskalierende Marktumbrüche“ erörtern. Dazu zählen die geopolitischen Spannungen (insbesondere zwischen den USA und China), der populistische Druck und der technologische Wandel. Die Zentralbanken dürften weniger effektiv darin sein, Wirtschafts- und Marktergebnisse in die Wege zu leiten, was eine stärkere Abhängigkeit von den Maßnahmen der Fiskalpolitik zur Ankurbelung des Wachstums nach sich zieht – und in den USA ist der künftige Kurs der Fiskalpolitik noch unklar.
In den nächsten fünf Jahren rechnen wir mit geringeren Renditen und erhöhter Volatilität – sowohl an den Anleihen- als auch an den Aktienmärkten. Ein derart herausforderndes Umfeld sollte die Anleger zu einer defensiveren Denkweise anregen.
Auf kurze Sicht blicken wir vorsichtig optimistisch auf das Wachstum im Lauf des nächsten Jahres. Diese Basiseinschätzung hängt jedoch von einer Eindämmung der Covid-19-Pandemie, dem Zeitpunkt der Impfstoffeinführung und der Verfügbarkeit wirksamer Therapien ab. Sollten diese Anstrengungen im ersten Quartal des kommenden Jahres an Zugkraft gewinnen und zusätzliche Hilfsprogramme in angemessenem Umfang beschlossen werden, dürften die USA unserer Erwartung nach in der Lage sein, an ihre recht kräftige Erholung anzuknüpfen. Gleichwohl wird das Wachstum vermutlich bis Ende 2021 nicht auf die Niveaus von 2019 zurückkehren.
Unter dem Strich gehen wir davon aus, dass diese Erholung holprig und ungleichmäßig verlaufen wird, während die Lage in vielen Sektoren der Wirtschaft angespannt bleibt.
Frage: Wie schätzen wir die Zinsentwicklung ein?
Ivascyn: Die Zinsen rangieren auf niedrigem Niveau, sie sind deutlich in die Knie gegangen – vor allem in den Industrieländern. Unseres Erachtens wird die Inflation in den nächsten Jahren unter Kontrolle bleiben, was bedeutet, dass sich die Renditen in einer relativ engen Bandbreite bewegen sollten. In letzter Zeit sind die Zinsen leicht gestiegen, was den positiveren Neuigkeiten von der Impfstofffront zu verdanken ist. Nichtsdestotrotz erwarten wir, dass der Anstieg letztlich eher moderat sein wird. Im Großen und Ganzen stehen wir dem Zinsrisiko recht defensiv gegenüber.
Im Income-Portfolio halten wir an unserer Präferenz für US-Zinspapiere fest. Am Markt für japanische Staatsanleihen bleiben wir dagegen untergewichtet. Des Weiteren halten wir ein gewisses Durationsengagement über gezielte Anlagen in Schwellenländern. Im Allgemeinen glauben wir, dass hochwertige Anleihen ihre risikomindernden Eigenschaften über alle Portfolios beibehalten sollten, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie bisher. Ferner halten wir nach anderen Vermögenswerten Ausschau, um die Gesamtvolatilität zu reduzieren.
Frage: Wie schätzen Sie die Märkte für Unternehmensanleihen allgemein ein – unter Berücksichtigung der kräftigen Wertentwicklung, die ihnen im zweiten und dritten Quartal dieses Jahres zuteil wurde?
Ivascyn: Die Spreads haben ihre sehr hohen Niveaus von Ende März weit hinter sich gelassen. Dabei kam es in einigen Sektoren zu einer schnelleren Einengung oder Rückkehr zu eher historischen Niveaus als in anderen. Entscheidend sind hierbei ein aktiver Verwaltungsstil, eine strenge Bottom-up-Titelanalyse und eine Diversifikation über diverse Alpha-Quellen und Risikofaktoren hinweg.
Obwohl wir dem Portfolio ab Ende März ein gewisses Engagement in Unternehmensanleihen hinzugefügt haben, richten wir uns in letzter Zeit etwas defensiver aus. Wir bleiben long in Schlüsselsegmenten des Sektors, wobei wir Positionen reduzieren, die wir vor einigen Monaten erworben haben, und zwar trotz ihrer positiven Wertentwicklung, da sie derzeit unseres Erachtens ein etwas höheres Risiko in Relation zu ihrem potenziellen künftigen Ertrag bergen.
Frage: Wie schätzen Sie aktuell hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) ein?
Ivascyn: Der Wohnimmobiliensektor zählt, wie schon seit vielen Jahren, zu den bevorzugten Sektoren der Income-Strategie, und wir haben das Engagement in diesem Bereich aufgestockt. Aus den Marktschwankungen und mehreren Zwangsverkäufen vom März ging der Wohnungsmarkt gestärkt hervor, mit Kurssteigerungen in weiten Teilen der USA und robusten oder stabilen Märkten in anderen Industrieländern.
Das überrascht nicht: Schließlich muss der Sektor seit der letzten Finanzkrise strenge Regulierungsvorschriften befolgen, und sowohl die Ratingagenturen als auch die Investoren legen hier ein äußerst konservatives Verhalten an den Tag. Zu Beginn der Pandemie waren die Fundamentaldaten im Wohnungssektor also recht solide. Eigenheime sind durchaus erschwinglich, da die niedrigen Zinsen die Schuldenlast der Darlehensnehmer verringern und die jüngste Kurssteigerung zum Eigenkapitalaufbau beiträgt. Diese Dynamik schafft fundamental günstige Voraussetzungen für eine anhaltend attraktive Wertentwicklung.
Hierzu möchte ich anmerken, dass die meisten unserer immobilienbezogenen Anlagen innerhalb des Income-Portfolios nicht von weiteren Anstiegen der Wohnungspreise abhängig sind, obwohl die Preise zweifellos weiter steigen könnten. Selbst bei einem Rückgang der Wohnungspreise dürften die allgemein hohen Eigenkapitalquoten der Kreditnehmer dem Sektor Widerstandsfähigkeit verleihen.
Die meisten Non-Agency-MBS in der Income-Strategie sind mit Deckungspools aus Krediten hinterlegt, die vor der letzten Finanzkrise vergeben wurden und deren Schuldner bereits beträchtliches Eigenkapital aufgebaut haben. Demnach handelt es sich um gut diversifizierte und bewährte Risikopools, und die überwiegende Mehrheit der Kreditnehmer kommt ihrem Schuldendienst weiter nach.
Darüber hinaus halten wir Positionen in Agency-MBS, die gegenwärtig eine attraktive Alternative zu Engagements in US-Staatsanleihen mit einem günstigeren Renditeprofil darstellen. Denn obwohl ihre Kapitalflüsse unsicherer sind als jene von Staatsanleihen, profitieren sie von impliziten staatlichen Garantien. Footnote 1 Des Weiteren tritt die US-Notenbank vehement als Käufer von Agency-Hypothekenpapieren auf, um Liquidität im System zu halten, was sich unserer Einschätzung nach auch fortsetzen dürfte. Unser Portfolioengagement in Agency-Hypothekenanleihen setzt sich nahezu vollständig aus qualitativ hochwertigen Pass-Through-Wertpapieren zusammen.
Frage: Kommen wir zum Markt für Unternehmensanleihen – wo tun sich hier Chancen auf, und was beunruhigt Sie?
Ivascyn: Der Sektor für Unternehmensanleihen hat sich merklich erholt, seit die US-Währungshüter den Markt mit reichlich Liquidität fluten. Das bedeutet, dass das allgemeine Beta derzeit weniger interessant ist als noch vor einigen Monaten. Erinnern Sie sich daran, dass die Fundamentaldaten des Sektors zu Beginn des Jahres 2020 relativ schwach waren – infolge von Jahren umfangreicher Kreditvergabe, sich verschlechternden Kreditbedingungen und geringen Anlegerschutzes. In diesem Jahr wurden abermals umfangreiche Kredite vergeben, wodurch sich der Verschuldungsgrad einiger der riskanteren Anwärter noch erhöht hat. In letzter Zeit kam es vermehrt zu Schieflagen und Umstrukturierungen, die mit sehr geringen Verwertungsquoten einhergingen.
Im Zuge der Marktrally konnten sich einige der taktischen Positionen, die wir zwischen Ende März und Mai dieses Jahres eingingen, gut behaupten. In Sachen Risiko und Engagement gehen wir nun jedoch wesentlich defensiver und selektiver vor und werden in den kommenden Monaten vermutlich damit beginnen, einige unserer bestehenden Positionen zurückzufahren und in widerstandsfähigere Bereiche umzuschichten. Außerdem werden wir die Aussichten für die US-Politik und ihre potenziellen Konsequenzen für Unternehmensanleihen im Auge behalten. Sollten etwa weniger umfangreiche Hilfsmaßnahmen beschlossen werden, als die Märkte unter Umständen erwarten, dürften die fragileren Bereiche des Sektors noch anfälliger werden.
Innerhalb des Chancenspektrums der Unternehmensanleihen stehen wir Banken noch immer wohlgesinnt gegenüber. Obschon ihr Ertragsmodell mit Schwierigkeiten konfrontiert ist, sind Finanzhäuser aus historischer Sicht nach wie vor äußerst kapitalkräftig, und ihre Management-Teams in den USA und anderen Industrieländern, etwa in Europa, stellen ihren Konservativismus weiter unter Beweis.
Frage: Welche Ansichten haben Sie zur Inflation? Wie richten Sie die Income-Strategie darauf aus?
Ivascyn: Die Fremdkapitalquoten sind sehr hoch – sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Das waren sie bereits vor der Pandemie; seither sind sie nur noch gestiegen. Was die Zentralbanker zu dem Versuch veranlasst, in Zukunft eine höhere Inflation anzuvisieren. In unserem Basisszenario kommt in den nächsten Jahren zwar kein signifikanter Inflationsdruck auf; längerfristig ist das Risiko inflationärer sowie deflationärer Entwicklungen nach unserer Einschätzung aber dennoch erhöht (wobei ein Extremszenario als weniger wahrscheinlich gilt). Außerdem reagieren die Märkte zumeist schon, bevor die Inflation tatsächlich zutage tritt; entsprechend könnten sich die Erwartungen recht schnell verändern.
Wir sind bemüht, das Portfolio gegen Inflationsanstiege abzusichern, etwa über inflationsindexierte US-Staatsanleihen (TIPS). Obwohl es eine ganze Weile dauern könnte, bis der Sektor sein Renditepotenzial entfaltet, halten wir ihn für eine preislich attraktive Absicherung und haben unser Engagement im laufenden Jahr aufgestockt. Darüber hinaus visieren wir gewisse Segmente des Anlageuniversums von Unternehmens- und Schwellenländerwerten an, die auch von stärker reflationären Tendenzen profitieren könnten.
Frage: Wie ist die Income-Strategie in den Schwellenländern positioniert? Und wie beurteilen Sie das Währungsengagement?
Ivascyn: Unser Engagement in den Schwellenländern beschränkt sich nahezu vollständig auf Staats- oder quasistaatliche Anleihen, die von einigen der größeren und liquideren Länder mit besserem Rating begeben wurden. In Unternehmensanleihen aus Schwellenländern sind wir dagegen kaum investiert, da diese in angespannten Zeiten oftmals zu Illiquidität neigen.
Die Schwellenmärkte reagieren üblicherweise sehr empfindlich auf wirtschaftliche Schocks. Wenn die Covid-19-Pandemie länger andauert, als wir erwarten, wenn die Weltwirtschaft von negativen Schocks heimgesucht wird, wenn die Handelsspannungen zunehmen, dann werden die Schwellenländer vermutlich schlechter abschneiden. Sollte sich dagegen eine nachhaltige globale Erholung einstellen, die in unserem Basisszenario bis ins nächsten Jahr hineinreicht, halten wir die Bewertungen und das Renditepotenzial des Sektors für recht attraktiv. Wir sind nach wie vor in Bereichen investiert, die sich in den letzten Quartalen als recht stabil erwiesen haben, wenn man das Volatilitätspotenzial dieses Sektors bedenkt.
Nicht zuletzt halten wir ein gewisses Engagement in Schwellenländerwährungen und sind im US-Dollar taktisch untergewichtet, was unserer Konjunkturprognose zuzuschreiben ist. Aus historischer Sicht deuten die Bewertungen darauf hin, dass der Dollar im Vergleich zu einem kleinen Korb aus Schwellenländerwährungen – und wenigen Industrieländerwährungen – leicht überbewertet ist. Wobei wir aus jetziger Sicht nicht mit einer mehrere Jahre anhaltenden Dollar-Schwäche rechnen.
Frage: Wie würden Sie Ihren Gesamtansatz für die Income-Strategie derzeit zusammenfassen?
Ivascyn: Die Income-Strategie ist recht flexibel und bietet Zugang zu einem globalen Chancenspektrum. Eine unabdingbare Eigenschaft in einer Welt, in der wir mit niedrigeren Renditen, mehr Volatilität und einer Einflussnahme der Zentralbanken rechnen, die die Renditen und die Spreads riskanterer Vermögenswerte zusätzlich in die Knie zwingt. Wir legen Wert auf eine umsichtige Diversifikation und robuste Investitionen, suchen zugleich aber auch unnachgiebig nach Marktbereichen, die attraktive Mehrrenditen bieten – wie immer mit einem Auge auf die Minderung der Abwärtsrisiken und den Kapitalerhalt.
In den vergangenen Jahren haben Zinspapiere eine beträchtliche Rally durchlebt. In Anbetracht ihrer Ausgangsniveaus glauben wir, dass die Risiken recht symmetrisch sind und vielleicht sogar etwas asymmetrisch in Richtung höherer Zinsen tendieren. Demnach ist es ratsam, eine flexible Strategie zu verfolgen, die ihren Fokus auf die Renditemaximierung und den Kapitalerhalt richtet, ohne auf die Duration oder eine fortlaufende Einengung der Spreads als Performancetreiber zu bauen. Die Income-Strategie ist wie immer bestrebt, einen verantwortungsvollen Einkommensstrom zu erzielen, der mit dem Top-down-Ansatz von PIMCO im Einklang steht.