Im Jahr 2019 hat die gegenläufige Entwicklung der globalen Märkte und des globalen Wachstums viele Anleger verblüfft. Die Bewertungen von Anlagen sind seit Jahresbeginn auf neue Höchststände gestiegen. Aktien, Credit-Spreads und Zinssätze entwickelten sich trotz der Marktvolatilität, der rückläufigen Unternehmensrentabilität und der einbrechenden globalen Investitionsnachfrage insgesamt solide. Obwohl eine Verlangsamung des Wirtschafts- und Gewinnwachstums in der Regel nicht automatisch zu einer starken Entwicklung von risikoreichen Anlagen führt, ergab sich aus dem Konjunkturabschwung eine rasche Kehrtwende der globalen Zentralbankpolitik, die den Anlagenpreisen durch niedrigere Leitzinssätze und die Aussichten auf neue Programme zur geldpolitischen Lockerung Flügel verlieh. Aus den vom Markt erwarteten Leitzinserhöhungen in den wichtigen G3-Staaten sind prognostizierte und in vielen Fällen auch tatsächlich umgesetzte Senkungen geworden. Die realen beziehungsweise die inflationsbereinigten Zinssätze sind eingebrochen.
Dabei sollte festgehalten werden, dass die aggregierten anlageübergreifenden Renditen das globale Wachstum nur in geringem Maße widerspiegelten. Untergründig hat jedoch eine signifikante Differenzierung zwischen Faktoren, Regionen und Sektoren stattgefunden, was durch die überschwängliche Marktstimmung teilweise verdeckt wird. Die makroökonomische Divergenz zwischen den Dienstleistungs- und den Produktionssektoren hat sich auf die gesamte Aktien-Anlageklasse ausgewirkt, wobei defensive Aktien gegenüber zyklischen Titeln eine Outperformance aufwiesen und Qualität über dem Wert1 stand. Diese Entwicklung deckt sich mit der Einschätzung von PIMCO zu Beginn des Jahres 2019, die eine qualitativ hochwertige und defensive Portfolioausrichtung vorsieht (siehe unseren Ausblick für das gesamte Jahr
„Anlegen in der Spätphase versus Anlegen in der Endphase des Konjunkturzyklus”).
Angesichts der inzwischen in die Märkte eingepreisten Lockerungsmaßnahmen und des weiterhin unsicher erscheinenden Wachstums stellt sich für die Anleger die Frage, ob die akkommodierende Geldpolitik eine Wirtschaft kompensieren kann, die sich verlangsamt, aber dennoch wächst. PIMCOs Basisszenario sieht für die Weltwirtschaft in den nächsten drei bis fünf Jahren eine Fortsetzung des schwachen Wirtschaftswachstums vor, mit einer anhaltend niedrigen Inflation und mit Zentralbanken, die die Zinsen auf oder unter dem Niveau der „Neuen Neutralität“ halten werden (die Märkte bewerten das Zinsniveau derzeit deutlich darunter). Es gibt jedoch mindestens fünf langfristige Trends, die das Potenzial haben, die Weltwirtschaft ins Wanken zu bringen (diese Faktoren werden in PIMCOs langfristigem Ausblick, „Marktumbrüche meistern”beschrieben).
Nachfolgend erläutern wir unsere Einschätzung der einzelnen Anlageklassen. Zwei Themen vertiefen wir dabei im Besonderen: unser taktisches Modell für die Asset-Allokation als Ergänzung unserer makroökonomischen Analyse sowie unseren Ansatz für Aktienanlagen, der eine Bilanzanalyse mit Erkenntnissen aus Stilfaktoren und dem Gewinnzyklus kombiniert. Das Ziel dieser beiden detaillierten Analysen besteht darin, die Auswirkungen der Gegensätzlichkeit der sich solide entwickelnden Risikoanlagen in einem sich abschwächenden Wachstumsumfeld näher zu beleuchten.
Obwohl wir bei näherer Betrachtung eine deutliche Bewegung beobachten (in bestimmten Sektoren und bei bestimmen Marktantriebskräften), hat sich unsere Einschätzung für Multi-Asset-Allokation-Portfolios gegenüber dem Anfang des Jahres kaum verändert: Mit einer moderaten Übergewichtung von hochwertigen Durationspositionen und einer Untergewichtung von Risikoanlagen sind wir defensiv positioniert. Unter Berücksichtigung der Konjunkturlage konzentrieren wir uns weiterhin auf qualitativ hochwertige und defensive Sektoren an den Aktien- und Anleihenmärkten, wobei wir die USA gegenüber anderen Industrieländern bevorzugen. Da wir weiterhin eine moderate Zentralbankpolitik erwarten, sind wir in Sachwerten sowie in ausgewählten Anleihen und Währungen der Schwellenländer übergewichtet. Angesichts unserer langfristigen Einschätzung der Belastung der Finanzmarktstruktur, die sich aus einer geringeren Liquidität und einer erhöhten Häufigkeit von „Flash Crashes“ ergibt, erhalten wir weiterhin solide Liquiditätspolster aufrecht.
Makroökonomische Modelle für die Asset-Allokation
Um aus den unübersichtlichen und widersprüchlichen Informationen der Konjunkturdaten und Finanzkennzahlen Erkenntnisse zu gewinnen, setzen wir auf einen robusten, systematischen Rahmen für die taktische Asset-Allokation, der den diskretionären Ansatz auf Grundlage der makroökonomischen Analyse – für die PIMCO bekannt ist – vervollständigt.
Im Wesentlichen beinhalten unsere Modelle für die Asset-Allokation eine Reihe von strategischen Ansichten, die durch Bewertungen verankert sind und sich an der Qualität und dem Carry orientieren. Allerdings könnten die Anlagenpreise für längere Zeit von den Fundamentaldaten abweichen und zu einer langsamen Umkehrung der Bewertungen führen. Daher stärken wir unsere strategischen Entscheidungen zur Asset-Allokation mit einer Reihe von taktischen Maßnahmen, die auf systematischen Schwankungen der Risikoprämien im Laufe des Konjunkturzyklus beruhen.
Dieser systematische Rahmen für die taktische Asset-Allokation basiert auf der empirischen Beobachtung, dass sich die makroökonomischen Bedingungen tendenziell langsam und bedächtig entwickeln. Die Anlagemärkte neigen jedoch dazu, auf diese beharrlichen makroökonomischen Fundamentaldaten kurzfristig unterzureagieren (ungeachtet des turbulenten kurzfristigen Handels, der mit wichtigen Datenveröffentlichungen einhergeht). Aus diesem Grund halten wir es für vorteilhaft, taktische Ausrichtungen bei der Asset-Allokation auf Grundlage der gegenwärtigen makroökonomischen Lage festzulegen. Dabei gehen wir davon aus, dass die Märkte die makroökonomischen Trends vollständig einpreisen werden.
Um hierbei erfolgreich zu sein, müssen Anleger einen differenzierten Ansatz verfolgen, mit dem sie über geeignete Kennzahlen, die die Lage des globalen Konjunkturzyklus widerspiegeln, die aktuelle Wirtschaftslage ermitteln können. Damit eignet sich dieser Ansatz ideal für den Anlageprozess von PIMCO, der im Laufe der vergangenen vier Jahrzehnte auf der Analyse einer breiten Palette makroökonomischer Indikatoren beruhte.
Unser Modell für die taktische Asset-Allokation untersucht makroökonomische Variablen, die in vier Kategorien unterteilt sind:
In jede Kategorie haben wir sorgfältig ausgewählte Variablen einbezogen, die gemeinsam einen umfassenden Überblick über die aktuellen makroökonomischen Bedingungen in allen Regionen bieten. Zweitens integrieren wir einen systematischen Überblick über die Auswirkungen von Extremereignissen auf jede dieser Variablen in verschiedenen Märkten. So wirken sich beispielsweise positive Umbrüche im Hinblick auf die Beschäftigungsbedingungen tendenziell positiv auf risikofreudige Faktoren (wie Aktien oder Credit-Spreads) und negativ auf durch Risikoscheu geprägte Faktoren wie qualitativ hochwertige Durationspositionen aus. Wir glauben, dass ein solcher Ansatz eine solide taktische Ergänzung zu einer wertorientierten strategischen Asset-Allokation darstellt.
Wie hat sich das taktische Modell von PIMCO in der jüngsten Vergangenheit entwickelt?
Im Laufe des letzten Quartals 2018 verschlechterten sich die makroökonomischen Werte für globale Aktien und Unternehmensanleihen in unserem taktischen Modell für die Asset-Allokation kontinuierlich, was vor allem auf eine Abschwächung der Konjunkturbedingungen zurückzuführen war. Die makroökonomischen Werte zogen dann Anfang 2019 wieder an, bevor sie in jüngster Zeit wieder ein uneinheitlicheres Bild abgaben (siehe beispielsweise unsere Modellwerte für US-Risikoanlagen in Abbildung 1).
Zusätzlich vereinen wir unsere vier makroökonomischen Kategorien in einer Vier-Punkte-Grafik („Spinnennetz“), die die Veränderungen im Laufe der Zeit grafisch darstellt (siehe Abbildung 2). Seit Ende 2018 hat sich die gesamtwirtschaftliche Lage verbessert, obwohl sich die konjunkturellen Bedingungen mit einer geringeren realen Wirtschaftsaktivität und nachlassenden Arbeitsmarktindikatoren verschlechterten. Diese Entwicklung wurde durch eine Abschwächung der Inflationsraten ausgeglichen, was für eine Lockerung der Geldpolitik spricht. Außerdem zeigten die Indikatoren eine stärkere Marktstimmung und eine Lockerung der finanziellen Bedingungen.
Unser taktisches Modell für die Asset-Allokation, das die Informationen aus unserer Vier-Punkte-Bewertung vereint, beinhaltet eine übergewichtete Durationsposition und ist in Aktien und Credit-Spreads der Industrieländer untergewichtet. Hinsichtlich der Währungen legt das Modell eine untergewichtete Position im US-Dollar nahe.
Unsere aktuelle Positionierung, die auf der Kombination der Ergebnisse des systematischen Modells mit einer diskretionären Positionierung auf Basis der makroökonomischen und relativen Wertanalyse beruht, erläutern wir in unseren Einschätzungen der Anlageklassen.
Aktienmarktanalyse: Qualität ermitteln und Signale überwachen
Im vergangenen Jahr haben wir uns größtenteils für ein defensives, qualitativ hochwertiges Aktienportfolio ausgesprochen. Unsere defensive Positionierung war das direkte Ergebnis unserer empirischen Analyse der funktionierenden Faktoren in einem wachsenden, aber sich verlangsamenden Umfeld und der Prognose, dass sich der Gewinnwachstumszyklus 2019 verlangsamen würde. Unsere Analyse unterstützt derzeit weiterhin eine defensive Haltung. Wie bei anderen Anlageklassen sind jedoch auch hier Feinheiten von entscheidender Bedeutung: Subtile Signale helfen uns dabei, Alpha-Quellen zu erkennen und die Wahrscheinlichkeit sowie die zeitliche Abfolge von Marktveränderungen einzuschätzen, die eine Änderung unserer Anlageeinschätzung zur Folge hätten.
In diesem Abschnitt analysieren wir die Aktienmärkte anhand von drei Perspektiven, die uns bei unserer Positionierung leiten.
Gewinnsignale
Bei US-Aktien hat sich das Gewinnwachstum im Einklang mit unserer Modellprognose (siehe Abbildung 3) verlangsamt. Gegenwärtig gehen wir davon aus, dass der schwache Wachstumskurs bis Anfang nächsten Jahres anhält.
Aus empirischer Sicht verdeutlicht unsere Arbeit, dass der Gewinnwachstumszyklus einen wichtigen Gradmesser für die Positionierung des Aktienportfolios und die Ermittlung von Gewinnern und Verlierern darstellt. Ist das Gewinnwachstum hoch (>= +5%) und steigt es an, geht dies nicht zulasten der Anleger, was zu einer Präferenz für zyklische Werte („billige“ Aktien) führt. Verlangsamt sich das Wachstum jedoch, verlagert sich auch die Präferenz der Anleger tendenziell in Richtung Wachstumssicherheit mit verstärktem Fokus auf Rentabilität. Viele Anleger sind dann bereit, für Unternehmen mit solchen Eigenschaften einen Aufschlag zu bezahlen.
Unterteilt man das vergangene Gewinnwachstum des S&P 500 in vier verschiedene Phasen (Verlangsamung, Kontraktion, Erholung und Expansion) und bewertet die empirischen Renditen, so beobachtet man im Laufe der Zeit eindeutige und beständige Muster. In einem Umfeld mit nachlassendem Gewinnwachstum sind die absoluten Aktienmarktrenditen zwar häufig positiv, die Stärke der Renditen nimmt jedoch ab, woraufhin diese sinken und volatiler werden. Historisch betrachtet lässt sich in Phasen mit nachlassendem Wachstum ein einheitliches Muster defensiver Aktienmarktströme erkennen, da Investoren versuchen, ihre Portfolios gegen zyklisch engagierte Marktsektoren mit hohem Beta abzuschirmen.
Portfolioaufbau
Durch die Untersuchung historischer Renditen über verschiedene Aktienkategorien hinweg identifizieren wir die Sektoren und Kategorien mit der größten empirischen Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung in einer bestimmten Phase des Gewinnzyklus (siehe vorheriger Punkt). In Zeiten, in denen sich das Gewinnwachstum verlangsamt, sind bei zyklischen Geschäftsaktivitäten im Vergleich zu defensiven Bereichen typischerweise negative risikobereinigte Renditen zu erwarten. Außerdem schneiden Unternehmen mit hochwertigen Qualitätsmerkmalen (zum Beispiel hohe Rentabilität) sowie mit durch Dynamik beeinflussten Faktoren typischerweise am besten ab, wenn sich das Gewinnwachstum verlangsamt. Empirisch betrachtet generieren die von den Faktoren Wert, Größe und zyklische Aktivität abhängigen Bereiche in der Regel erst bei einem steigenden Gewinnwachstum attraktive volatilitätsbereinigte Renditen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass sich parallel keine ausgewählten Gelegenheiten ergeben oder dass historische Werte künftige Marktchancen perfekt widerspiegeln. Eine solche Analyse kann jedoch als Roadmap für den Aufbau von Aktienportfolios dienen.
Länderspezifisches Fachwissen
Die Analyse günstiger Marktkategorien und -sektoren ist entscheidend für die Festlegung der geografischen Aktienallokation. Die sektorale Zusammensetzung und Qualität der Institutionen kann je nach Region stark variieren.
Bei der Bewertung wichtiger Aktienmarktregionen nach der quantitativen Bewertungsmethode von PIMCO (siehe Abbildung 4) stellen wir beispielsweise fest, dass sich US-Aktien durch eine höhere Qualität, ein geringeres Risiko, eine höhere Dynamik und eine negative Wertorientierung auszeichnen. Unter Berücksichtigung der positiven Aspekte in einem langsameren Wachstumsumfeld (siehe vorherige Punkte) lässt sich die aktuelle Outperformance der US-Aktienmärkte besser nachvollziehen.
Leidet die Weltwirtschaft unter einer durch die Produktion und den Handel hervorgerufenen Verlangsamung, sind die Aktienmärkte außerhalb der USA – die in der Regel ein höheres zyklisches Risiko aufweisen – tendenziell anfälliger.
Viele Anleger neigen zu der Ansicht, dass die US-Märkte im Vergleich zu Europa, Japan oder den Schwellenländern teuer sind. Bei der Bewertung ist es jedoch wichtig, die Unterschiede in Bezug auf Rentabilität, Wachstum und Volatilität zwischen den Regionen zu berücksichtigen. Zwar werden die US-Märkte, basierend auf dem Kurs-Gewinn-Verhältnis, in der Regel mit einem leicht über dem Durchschnitt liegenden absoluten Bewertungsniveau gehandelt. Jedoch ist auch die Eigenkapitalrendite (ROE) überdurchschnittlich hoch und um 30–50% höher als in anderen Regionen der Welt, während der Gewinn in den USA vergleichbare Wachstumsraten aufweist – bei geringerer Volatilität.
Mit abflachender Wachstumsdynamik und zunehmendem Gewinnwachstum ist natürlich eine Verschiebung der Zusammensetzung des Aktienportfolios wahrscheinlich, was ein erhöhtes Engagement in zyklischen, wertorientierten und nicht-amerikanischen Geschäftsaktivitäten mit sich bringt. Volatilität kann zu einer festen Größe an den Aktienmärkten werden. Wir halten es für zu früh, eine Kehrtwende hin zu einem Aktienportfolio mit höherem Beta vorzunehmen, konzentrieren uns aber zunehmend auf eine mögliche Wende in der Wachstumsdynamik, bevor wir eine aggressive, langfristige Position in Aktien einnehmen.
Die Autoren danken Mukundan Devarajan und Bill Smith für ihre bedeutenden Beiträge zur systematischen Analyse der Asset-Allokation und der Aktienmärkte.