Behavioral Insights

Blick nach links: Erkennen und Managen von Verzerrungen durch Verlustaversion

PIMCOs Anlage- und Risikomanagementprozesse basieren auf Konzepten der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie.

Die verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie (Behavioral Finance) mit ihrer Vorstellung, dass Anleger durch psychologisch bedingte Verzerrungen alles andere als die von modernen Wirtschaftstheorien vermeintlich völlig rational handelnden Wesen sind, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Tatsächlich sind zwei der in den vergangenen sechs Jahren vergebenen Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften an Verhaltensökonomen verliehen worden. PIMCO bezieht die verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie in seine Anlage- und Risikomanagementprozesse ein – insbesondere die Erkenntnis, dass der seelische Schmerz bei Verlusten Anleger zu schlechten Entscheidungen in Bezug auf Risiko und Rendite bewegen kann. Unserer Auffassung nach haben Erkenntnisse wie diese angesichts der hohen Bewertungen vieler Vermögenswerte sowie der reifenden wirtschaftlichen Expansion an Bedeutung gewonnen.

Aus diesen Gründen und aufbauend auf unserer langjährigen Praxis, vielfältige Perspektiven zu fördern und unsere eigenen Annahmen infrage zu stellen, arbeitet PIMCO mit dem Center for Decision Research der Booth School of Business der University of Chicago zusammen, um die vor Kurzem neu benannten PIMCO Decision Research Laboratories zu unterstützen. Wir hoffen, dass wir durch diese Partnerschaft Einblicke in die menschliche Entscheidungsfindung fördern, die PIMCO letztendlich dabei helfen werden, klügere Entscheidungen für unsere Kunden zu treffen. Das Center for Decision Research untersucht ein breites Spektrum von Themen aus dem Bereich der Verhaltensforschung einschließlich der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie und Wirtschaftswissenschaften.

An dieser Stelle möchten wir auf die Verlustaversion eingehen.

Die Quantifizierung von Verzerrungen durch Verlustaversion

Daniel Kahneman, Nobelpreisträger im Jahr 2002 und früher Verfechter der Verhaltensökonomie, sowie sein Kollege Amos Tversky waren die Ersten, die belegten, dass die meisten von uns den Schmerz über einen Verlust mehr als die Freude an einem gleichwertigen Gewinn fühlen – eine Eigenschaft, die sie „Verlustaversion“ nannten. Sie und andere fanden heraus, dass Menschen doppelt so viel „gewinnen“ müssen, wie sie „verlieren“, um Risiken gleichgültig einzugehen.

Ein Bewusstsein für Verlustaversion erfordert von uns ein Überdenken der vertrauten Normalverteilung, einer einfachen Darstellung symmetrischer Kurven, die eine gleiche Wahrscheinlichkeit für Gewinn oder Verlust zeigen. Im Zusammenhang mit der Verlustaversion ist die Normalverteilung irreführend, da Risikonehmer auf Verluste viel stärker reagieren als auf Gewinne ähnlicher Größenordnung. Das von Kahneman und Tversky beschriebene Verhältnis der Verlustaversion impliziert die Vorstellung einer Verteilung, bei der etwa zwei Drittel des Gewichts links vom Mittelwert und ein Drittel rechts vom Mittelwert liegen. Die 2:1-Beziehung ist eine allgemeine Regel, die von Person zu Person und abhängig von der Größe des potenziellen Verlusts variieren kann sowie davon, ob die Teilnehmer aufgefordert werden, „wie Händler zu denken“ (in diesem Fall werden sie weniger verlustavers).

Der Ansatz von PIMCO

Das Konzept der Verlustaversion ist tief in PIMCOs Anlageprozess verankert, insbesondere in unseren Stresstests und Analysen zur Portfolio-Performance.

Das Ex-ante-Management der Verlustaversion befasst sich mit potenziellen Verlusten im Rahmen eines Handelsgeschäfts oder Portfolios. Dabei muss der Fokus explizit auf der linken Seite der Verteilung liegen. Eine Quantifizierung von Tracking Error, potenziellem Gewinn oder erwarteter Rendite ist nicht ausreichend. Wir müssen Folgendes wissen: „Wie viel Verlust ist bei diesem Handel tolerierbar?“

Unser Stresstest weist auf mögliche Portfolioverluste hin. Wir entwickeln hypothetische, zukunftsorientierte Stressszenarien, die negative Marktergebnisse für Anlagestrategien darstellen. Risikobudgets berücksichtigen die Höhe möglicher Verluste im Falle eines negativen Szenarios. Dieser Ansatz ermöglicht die Skalierung der Risikoauslastung im Zusammenhang mit einem tolerierbaren Verlustrisiko, wobei der Schwerpunkt auf der sensitiven linken Seite der Verteilung liegt.

Das Ex-post-Management der Verlustaversion umfasst zwei Komponenten der Performance-Analyse: 1) Messung und 2) Erinnerung.

Bei der Messung wird im Vergleich dargestellt, inwiefern eine Negativperformance von den Erwartungen abweicht und wie sie sich mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsaussagen ausdrücken lässt. Betrachten wir ein Portfolio, das einen Tracking Error von 250 Basispunkten pro Jahr aufweist, im letzten Monat jedoch um 50 Basispunkte nachgegeben hat. Der Rückgang ist geringer als eine Standardabweichung – ein Rückgang in dieser Größenordnung sollte mehr als 17% der Zeit vorkommen. Die Quantifizierung eines Ereignisses auf diese Weise ermöglicht es einem Anleger festzustellen, ob es hinreichend unwahrscheinlich ist, um weitere Aufmerksamkeit zu rechtfertigen.

Erinnerung kann schwieriger sein. Dazu gehören die Betrachtung eines Portfolios und die Bekräftigung, dass sein Risikoprofil zum Zeitpunkt der Erstinvestition als tolerierbar und angemessen kompensiert erachtet wurde. Möglicherweise ist eine explizite Handlungsweise erforderlich, um die Verzerrungen durch Verlustaversion zu beseitigen — zum Überwinden der Kluft zwischen der zukunftsorientierten hypothetischen Bereitschaft zur Hinnahme eines potenziellen Verlusts und dem Durchleben einer Verlustphase in Echtzeit.

Sicherlich ist eine eingehendere Prüfung erforderlich, falls bei einem Handelsgeschäft oder in einem Portfolio ein höherer Verlust entsteht als nach vernünftigem Ermessen erwartet. In solchen Fällen können die ersten Fragen unter anderem folgende umfassen: „Wurde das Risiko vorab richtig eingeschätzt?“ „Verhält sich der Markt aufgrund externer Ereignisse ungewöhnlich?“ Die Antworten führen dann zu Maßnahmenüberlegungen, die unter anderem eine Reduzierung des Exposures aufgrund von Unsicherheiten, eine Erhöhung des Exposures aufgrund attraktiverer Werte oder eine Beibehaltung des Exposures beinhalten. Die Einbeziehung eines Bewusstseins für Verlustaversion während des gesamten Anlageprozesses ermöglicht es uns, in Bezug auf die Risikotoleranz einen einheitlichen Rahmen beizubehalten, was zu einer objektiveren, unbefangenen Entscheidungsfindung führt.

Verzerrungen durch Verlustaversion sind möglicherweise nicht irrational.

In der Praxis (im Gegensatz zur Theorie) ist die Verlustaversion möglicherweise nicht völlig irrational. Verluste können zu Problemen führen, die asymmetrisch zu den Vorteilen sind, die sich aus Gewinnen ergeben. So können Anleger beispielsweise den Schmerz über einen Verlust akuter spüren, da sie die Schwierigkeit erkennen, sich von größeren Verlustphasen zu erholen, sowie die Notwendigkeit begreifen, ihr Exposure aufgrund von Verlusten anzupassen. Vereinfacht ausgedrückt: Je tiefer man in ein Loch fällt, desto schwieriger ist es herauszuklettern.

Zahlen veranschaulichen diesen Punkt. Nehmen wir an, ein hypothetisches Portfolio von 100 US-Dollar sinkt um 10% im Wert auf 90 US-Dollar. Zur Wiederherstellung der Parität müsste ein Investor 11% und nicht 10% verdienen. Wenn weitere Verluste realisiert werden, muss eine höhere positive Rendite erwirtschaftet werden, um den Verlust auszugleichen. Ein Portfolio muss beispielsweise eine Rendite von 100% erwirtschaften, um einen Verlust von 50% zu überwinden. Bei einem größeren Verlust wird eine Erholung weitaus unwahrscheinlicher.

Es gibt noch weitere praktische Überlegungen im Zusammenhang mit Verlusten, die Anleger möglicherweise intuitiv erkennen. Negative Renditen in Portfolios, die Derivate einsetzen, können zu Marginforderungen liquider Mittel führen, die wiederum die Veräußerung von Beständen erfordern können, die der Portfoliomanager für attraktiv hält und vorzugsweise eher halten würde. Durch das Verlustmanagement motivierte Portfolioaktivitäten sind sicherlich weniger erfreulich als der Handel zur Erzielung von Gewinnen. Im Extremfall können hoch verschuldete Portfolios von einem so starken Performance-Verlust bedroht sein, dass die Strategie vollständig liquidiert werden muss. Das Mandatsrisiko – die Sorge, dass eine Underperformance eventuell zur Kündigung eines Beraters als Manager einer Strategie führt – könnte zu einem verlustaversen Risikoprofil in einem Portfolio beitragen. Sämtliche dieser Umstände repräsentieren potenzielle Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass Verzerrungen durch eine Verlustaversion nicht irrational sind.

Eine gebührende Einschätzung der Verlustaversion ist aktuell wohl relevanter, da wir Schübe von Marktvolatilität im Zuge der Handelsspannungen, moderat höheren Zinsen und einer nach wie vor wachsenden, sich aber verlangsamenden Weltwirtschaft erleben. Durch die Einbeziehung von diesen und noch zu gewinnenden Erkenntnissen aus der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie in unseren Anlageprozess wollen wir zudem Portfolios aufbauen und verwalten, die immer besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden abgestimmt sind.

Blick nach links: Erkennen und Managen von Verzerrungen durch Verlustaversion

Die PIMCO Decision Research Laboratories des Center for Decision Research der Booth School of Business der University of Chicago ermöglichen Wissenschaftlern, Verhaltensforschungsexperimente mit dem größtmöglichen Einfluss dort durchzuführen, wo Menschen tatsächlich leben und arbeiten. PIMCO fördert durch diese innovative Partnerschaft mit der University of Chicago vielfältige und fundierte Forschungen, die zu einem tiefer gehenden Verständnis des menschlichen Verhaltens und der Entscheidungsfindung beitragen, und unterstützt Führungskräfte dabei, im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich klügere Entscheidungen zu treffen.

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