Blog Inflationshöhepunkt könnte mögliches Zinshoch für Schwellenländer bedeuten In den Schwellenländern lässt die Inflation nach, und die Realzinsen ziehen nach einem Jahr der restriktiven Geldpolitik wieder an.
Die Zentralbanken vieler Schwellenländer haben mit einer entschiedenen Straffung ihrer Geldpolitik auf die gestiegene Inflation reagiert – in einigen Fällen deutlich früher als die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank. Mittlerweile, nach einer Phase voller Herausforderungen, scheint die Inflation in den Schwellenländern abzuflauen, während sich die Leitzinsen dem höchsten Stand der vorangegangenen Zyklen nähern. Damit begeben sich die realen bzw. inflationsbereinigten Zinssätze über das neutrale Niveau und in Richtung ihrer früheren Spitzenwerte, wodurch potenziell ein günstigeres Anlageumfeld entsteht. Nachdem viele Schwellenländer einen weitgehend synchronisierten Zinsanhebungszyklus durchliefen, könnten die einzelnen Nationen in ihrer Geldpolitik fortan wieder unterschiedliche Richtungen einschlagen. Die steigenden Realzinsen und die verbesserten Bewertungen geben in unseren Augen mehr Grund zum Optimismus. Dennoch bleiben wir zurückhaltend, bis mehr Klarheit über den Zinspfad der US-Notenbank herrscht, da die US-Geldpolitik einen überdimensionalen Einfluss auf die Schwellenländermärkte hat. In den meisten Schwellenländern wurden in letzter Zeit niedrigere monatliche Inflationswerte gemessen. Diese sollten bis zum Jahresende noch weiter zurückgehen, da sich das Wachstum verlangsamt und die Rohstoffe in letzter Zeit weniger Aufwind erfahren, auch wenn die Aussichten für die Energiepreise ungewiss bleiben. Dieser niedrigere Inflationspfad ist dem vorzeitigen Zinsanhebungszyklus in vielen Schwellenländern zu verdanken – darunter Brasilien und Chile, die bereits 2021 mit der Erhöhung der Zinsen begannen. Im Gegensatz dazu nahm die US-Notenbank erst im März dieses Jahres eine erste Zinsanhebung vor, um die Inflation einzugrenzen. Für viele Anleger wird die Diskussion über die Geldpolitik der Schwellenländer nun nuancierter und verlagert sich von der Frage, wie hoch die Zinsen noch steigen werden, darauf, ob die Zentralbanken ihre Zinsen konstant halten können (wenn auch auf erhöhtem Niveau), während die Federal Reserve ihre Zinsen weiter anhebt. In einigen Schwellenländern, darunter Brasilien, preisen die Zinsstrukturkurven für Ende 2023 nun sogar Zinssenkungen ein. Aktuell liegen die Realzinsen in den meisten Schwellenländern über dem neutralen bzw. dem Gleichgewichtsniveau (siehe Abbildung 1). Mit Blick auf die Zukunft sollte die Inflation nachlassen, was für einen deutlichen Anstieg der Realzinsen spricht, solange die Leitzinsen unverändert bleiben. Dieses Szenario scheint immer wahrscheinlicher, da die Inflationserwartungen bis 2023 nach wie vor über den Inflationszielen vieler Zentralbanken liegen – sowohl in den Schwellen- als auch in den Industrieländern. Abbildung 1: Die Realzinsen vieler großer Schwellenländer liegen über dem neutralen Niveau und nahe der Höchststände früherer Zyklen Allerdings können die Entwicklungen in den einzelnen Nationen deutlich voneinander abweichen oder sogar auseinanderlaufen. So stehen Schwellenländern wie Brasilien und Chile allem Anschein nach sinkende Realzinsen bevor, während sie in anderen Nationen wie Mexiko und Polen erhöht bleiben sollten, da sich die Kerninflation hier als deutlich hartnäckiger erweist. Im Folgenden gehen wir näher auf vier Länder ein, um die Vielfalt der Szenarien zu veranschaulichen, die sich rund um die Welt entfalten: Brasilien: Im aktuellen geldpolitischen Zyklus ist Brasilien ein Beispiel für eine Nation, die ihrer Kurve voraus ist. Die heimische Zentralbank hat einen unnachgiebigen Zinserhöhungskurs eingeschlagen, wodurch die Zinsen deutlich über das neutrale Niveau befördert wurden. Da die Inflationserwartungen inzwischen nachlassen, wird die Politik real betrachtet noch restriktiver (sogar noch mehr als im Zyklus 2016–2017). Entsprechend müsste die Zentralbank im kommenden Jahr einen Zinssenkungszyklus in Angriff nehmen, nur um die Realzinsen auf ihrem aktuellen Niveau zu halten. In der Annahme, dass die Präsidentschaftswahlen im Oktober keine Schockwelle durch das Land senden, erwarten wir, dass die brasilianische Zentralbank ihre Zinsen in den nächsten Monaten unverändert belässt und Mitte 2023 mit der Senkung der Leitzinsen beginnt. Südafrika: In Südafrika fiel die Inflation nie sehr hoch aus, was zum Teil dem großzügigen Inflationsziel von vier Prozent zuzuschreiben ist. Dieses befähigte die südafrikanische Zentralbank, Geduld in ihrem Zinsanhebungszyklus walten zu lassen, da sich die Zinsen noch immer nicht auf dem neutralen Niveau befinden. Hier wird ein Teil der Schwerstarbeit durch die Fiskalpolitik geleistet, unterstützt durch eine geringere Währungsabwertung, da die Nation zu den Rohstoffexporteuren zählt. Mexiko: Die mexikanische Zentralbank dürfte bestrebt sein, eine konstante reale Zinsdifferenz gegenüber dem US-Leitzins zu bewahren und mit dem Tempo der US-Zinserhöhungen Schritt zu halten. Gemäß dem Verbraucherpreisindex (VPI) rangiert die Kerninflation noch immer über der Zielmarke der mexikanischen Zentralbank, wobei die hierfür verantwortlichen Inflationskomponenten eng mit der Wirtschaftsaktivität verknüpft und die Löhne unverändert hoch sind. Entsprechend ist eine Anhebung der Zinsen im Gleichschritt mit der Federal Reserve auf die eigene interne Inflationsdynamik zugeschnitten. Unserer Erwartung nach stehen bis 2023 weitere Zinserhöhungen um 75 Basispunkte (Bp) sowie ein Anstieg des Leitzinses auf zehn Prozent bevor. Polen: In Polen dürfte die Inflation bis weit in das nächste Jahr hinein deutlich über der Zielmarke verharren. Da die Leitzinsen noch nicht auf das neutrale Niveau gelangt sind, zählt Polen zu den Ländern, die voraussichtlich eine noch restriktivere Politik betreiben müssen. Trotz dieser länderspezifischen Faktoren hängt für die Schwellenländer nach wie vor vieles von der Politik der US-Notenbanker und dem globalen Risikoumfeld ab. Mehr Klarheit über den Kurs der Federal Reserve sowie dessen Auswirkungen auf den US-Dollar und die weltweiten Liquiditätsbedingungen werden Schlüsselfaktoren sein, die es zu beobachten gilt, da sie Einfluss auf die Politik der Schwellenländer nehmen. Gelockerte Finanzbedingungen und ein schwächerer US-Dollar würden den Währungshütern Raum für einen umfangreicheren Zinssenkungszyklus bieten. Unter dem Strich muten die Signale nun günstiger für Engagements in lokale Schwellenländer-Anleihen an. Auch wenn sie noch nicht über den Berg sind, legt das aktuelle Zusammenspiel aus Bewertungen, technischen Faktoren und Fundamentaldaten (mehr dazu in unserem aktuellen Blog-Beitrag „Chancen und Risiken im Anlageuniversum der Schwellenländer“ ein Eingehen von Positionen nahe, die wir aus jetziger Sicht bevorzugen – zum Beispiel ein Long-Engagement in Brasilien und ein Short-Engagement in Polen. Pramol Dhawan ist Leiter des Schwellenländer-Portfoliomanagements und Lupin Rahman ist Leiterin des Bereichs Staatsanleihen im Portfoliomanagement-Team für Schwellenländer.
Blickpunkt Schwellenländer dürften das Schlimmste hinter sich haben Nachdem sie im vergangenen Jahr eine Vielzahl globaler Herausforderungen überstanden haben, scheinen die Schwellenländer-Märkte bereit zu sein für bessere Zeiten und Aussichten, da die Inflation zurückgeht und der künftige Pfad der Geldpolitik deutlicher sichtbar wird.
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