Blog Die Wahrheit über Kreditpapiere: Vier verbreitete Fehlannahmen zu den öffentlichen und privaten Kreditmärkten Die erhöhte Marktvolatilität hat in unseren Augen Irrmeinungen über Kreditpapiere entstehen lassen. Vier von ihnen klären wir hier auf.
Bei extremen Marktschwankungen kann die Angst schwerer wiegen als die Disziplin. Was die Kreditmärkte betrifft, sind viele Anleger wegen der dramatischen Kursverluste, die sich dieses Jahr sowohl im Investment-Grade- als auch im High-Yield-Bereich bislang zugetragen haben, verständlicherweise verunsichert. Leider sind daraus potenziell schädliche Fehlannahmen in Bezug auf die Risiken und die Erträge an den öffentlichen und privaten Märkten entstanden. Während die Bewertungen allmählich wieder attraktiv aussehen, haben wir von PIMCO vier weitverbreitete Fehlannahmen identifiziert, die am Markt kursieren. Sollten sich diese etablieren, könnten schlechte Investmentresultate die Folge sein. Fehlannahme #1: In diesem Jahr waren die Renditen an den meisten öffentlichen Kreditmärkten, darunter die Märkte für Investment-Grade- und Hochzinsanleihen, bislang enttäuschend, was sie als Anlageklassen riskanter macht Annähernd 80 Prozent der negativen Renditen von US-Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sind auf Zinsbewegungen im laufenden Jahr zurückzuführen – der Markt reagiert auf Veränderungen der Zentralbankpolitik, um mit der höheren Inflation umzugehen (Daten gemäß ICE BofA Corporate und High Yield Index). Mit Blick auf die aktuellen Bewertungen sind die Terminkurse nahezu neutral, weswegen es für Anleger in unseren Augen äußerst vorteilhaft sein kann, neben Spread-Papieren gewisse Durationspositionen hoher Qualität zu halten – vor allem, weil die derzeitige Anpassung der globalen Leitzinsen dem Zweck dient, die hohe Inflation einzudämmen. Anleger, die um weitere Leitzinserhöhungen besorgt sind, können sich in unterschiedlichem Maß gegen dieses Durationsrisiko absichern und zugleich in Kreditrisiken investiert bleiben. Die aktuellen Spreads – insbesondere jene besser bewerteter Spread-Produkte wie internationaler Investment-Grade-Anleihen und Hypothekenanleihen der US-Agencies – sind auf Niveaus gestiegen, die in den USA deutlich über dem 20-Jahres-Durchschnitt liegen, womit sie unseres Erachtens überzeugenden Mehrwert über einen langfristigen Anlagehorizont bieten, selbst unter Berücksichtigung der derzeitigen kurzfristigen Volatilität.1 Fehlannahme #2: Bankkredite sind weniger riskant als Anleihen Syndizierte Bankkredite oder Konsortialkredite mögen aufgrund ihres variabel verzinslichen Charakters zwar eine geringere Preissensitivität gegenüber Zinsschwankungen aufweisen; aus fundamentaler Sicht sind sie aber dennoch sehr anfällig für Zinsanstiege. Schließlich geben viele Emittenten an den Märkten für Bankkredite und Privatfinanzierungen variabel verzinsliche Instrumente aus, was sie höheren Kreditkosten aussetzt, wenn die Zinsen steigen. Wenn Emittenten ihr Zinsengagement absichern, decken diese Absicherungsgeschäfte entweder nur einen Teil des Engagements ab oder haben eine kürzere Laufzeit, was sich in den Kreditkosten niederschlägt, sobald diese Instrumente auslaufen. Ein typischer Emittent eines Bankkredits mit B-Rating ist bei einem Anstieg des US-Leitzinses um 300 Basispunkte mit etwa 60 bis 70 Prozent höheren Zinskosten konfrontiert (ebenfalls unter der Annahme eines nicht abgesicherten Titels mit variabler Verzinsung). Da so viele dieser B-Papiere mit einem Zinsdeckungsgrad (EBITDA/Zinsaufwand) von rund 2,0 beginnen, könnte ein derart starker Anstieg der Zinskosten die Schuldendienstfähigkeit maßgeblich untergraben und die Fähigkeit der Unternehmen zur Generierung von freiem Cashflow einschränken. Demgemäß würden wir bei diesen Kreditforderungen geringerer Qualität mit einem Herabstufungszyklus rechnen, wenn sich die aktuellen Markterwartungen bezüglich des US-Zinspfads als richtig erweisen. Selbstverständlich sind einige Unternehmen dieser Kategorie besser positioniert als andere, und aktive Anleger sollten zwischen ihnen differenzieren, um Chancen zu finden. Fehlannahme #3: Private Kredite sind weniger riskant als öffentliche Kredite Nach Angaben von Preqin hat sich das Volumen der privaten Kreditmärkte in den letzten vier Jahren nahezu verdoppelt (auf 1,25 Billionen USD weltweit), da die Anleger auf der Suche nach höher rentierlichen Alternativen zu den niedrigen Renditen an den öffentlichen Märkten sind. Die selteneren Neubewertungen von Privatfinanzierungen, verglichen mit der täglichen Preisfindung bei öffentlichen Schuldtiteln, erwecken den Eindruck, dass die Volatilität im Private-Debt-Segment geringer ist, womit sie die Volatilität der Anlegerportfolios optisch reduzieren. Dies kann Vorteile mit sich bringen – beispielsweise werden die Anleger nicht zu Market-Timing-Praktiken angeregt. Nichtsdestotrotz sind die Kreditnehmer am privaten Kreditmarkt grundsätzlich den gleichen (und in einigen Fällen höheren) fundamentalen Risiken ausgesetzt wie an den Märkten für Hochzinsanleihen und Konsortialkredite. Bei privaten Kreditnehmern handelt es sich für gewöhnlich um kleinere Emittenten als auf dem öffentlichen Markt (wären sie größer, würden sie es schließlich vermeiden, die an den privaten Kreditmärkten zu entrichtende Illiquiditätsprämie zu zahlen). Viele dieser kleineren Unternehmen haben weniger diversifizierte Geschäftsmodelle, geringere Größenvorteile, weniger Möglichkeiten, Kostenanstiege auf ihre Kunden abzuwälzen, und eine höhere Anfälligkeit für wirtschaftliche Schocks. Die Aktienbewertungen vieler dieser nicht notierten Unternehmen passen sich womöglich viel schneller an, wenn sich das Wirtschaftswachstum zu verlangsamen beginnt, was eine Gefahr für Anleiheninvestoren darstellt. Hinzu kommt, dass die Preisfindung an den öffentlichen Märkten oftmals eine bessere Risikomanagement-Kultur fördert. Schließlich kann ein Anleihenanalyst schlechte Nachrichten an den öffentlichen Märkten nicht ignorieren oder schönreden: Der Markt erkennt Probleme mehr oder weniger sofort und erzwingt wiederum gesunde Gespräche darüber, ob eine Kontaktaufnahme mit den Emittenten ansteht, um Veränderungen anzustoßen. Zwar wird jedweder erfahrene Akteur am Markt für Privatplatzierungen solide Verfahren der Kreditüberwachung und Vermögensverwaltung einsetzen; die mangelnde Preisfindung an den privaten Märkten stellt per Definition aber eine Herausforderung für das Risikomanagement im Private-Credit-Bereich dar. Wir sind uns bewusst, dass Privatfinanzierungen in vielen Fällen mit strengeren Kreditklauseln – den sogenannten Covenants – einhergehen, verglichen mit den Covenant-Light-Strukturen, die auf dem Markt für Konsortialkredite inzwischen fast allgegenwärtig sind. Diese strengeren Vertragsverpflichtungen sind unter sonst gleichen Bedingungen ein Vorteil. Allerdings ist auch an den Märkten für privat platzierte Titel eine zunehmende Tendenz hin zu „Covenant-Loose“-Strukturen zu erkennen, da sich die Anleger aufgrund der Notwendigkeit, umfangreiche Mittelaufkommen einzusetzen, schneller zufriedengeben. Somit sind die Kreditklauseln an den privaten Kreditmärkten zwar häufig noch immer vorteilhafter als jene öffentlicher Konsortialkredite; einige dieser Vorteile werden jedoch ausgehöhlt. Während Privatfinanzierungen eine Reihe von Möglichkeiten bieten, attraktive Renditen zu erzielen, ist es aufgrund dieser inhärenten Risiken angebracht, ihre Verwaltung in die Hände eines Anlageteams mit umfassender Erfahrung und Ressourcen zu geben, um diese Risiken zu bewerten und zu steuern. Fehlannahme #4: Variabel verzinsliche Konsortialkredite und Privatdarlehen sind abgesichert Eine allgemeine Überzeugung auf dem Markt für Leveraged Finance ist, dass die Anleger stets das Gelbe vom Ei erhalten: Sie können eine variabel verzinsliche Anleihe erwerben, aber keine Sorge – der Kreditnehmer wird diese in ein Festzinspapier umwandeln, um sich bei steigenden Zinsen abzusichern. Dies scheint nicht nur eine äußerst ineffiziente Methode für Endanleger zu sein, ihr Durationsengagement zu verwalten; zudem ist diese Behauptung bestenfalls nur teilweise korrekt und könnte sich als äußerst irreführend erweisen. In der Tat sichern die meisten erfahrenen Private-Equity-Geber nur einen Teil des Zinsrisikos ihrer Portfoliounternehmen ab, und das auch nur zeitweise. Die Absicherung ist also keineswegs vollumfänglich, was primär aus einfachen Gründen der Unternehmensfinanzierung geschieht. Erstens spricht die traditionelle Theorie des betrieblichen Aktiv-Passiv-Managements dafür, eine gewisse Menge von Verbindlichkeiten mit variabler Verzinsung gegenüber Vermögenswerten zu halten, die entweder explizit zinsvariabel sind oder indirekt von einer höheren Inflation und höheren Zinssätzen profitieren. Aus genau diesem Grund wandeln die meisten Investment-Grade-Unternehmen einen beträchtlichen Anteil ihrer festverzinslichen Verbindlichkeiten in variabel verzinsliche Verbindlichkeiten um. Was Hochzinsunternehmen betrifft, verfügen diese im Allgemeinen zwar über weniger Barmittel (die einen variablen Zinssatz erzielen) als ihre Investment-Grade-Pendants; diese Faustregel gilt aber noch immer. Zweitens werden sich Hochzinsunternehmen, selbst wenn sie variable in festverzinsliche Titel umwandeln, tendenziell an der erwarteten Laufzeit ihrer Verbindlichkeiten orientieren, die in der Praxis meist näher beim ersten Kündigungstermin eines Darlehens liegt als bei seiner endgültigen Fälligkeit. Das bedeutet, dass die Zinsabsicherung über einen geringeren Zeitraum abgeschlossen wird als bis zur endgültigen Fälligkeit, sodass diese Unternehmen zu gegebener Zeit von der Zahlung eines festen Zinssatzes wieder auf die Zahlung eines variablen Zinssatzes übergehen, sofern das Darlehen noch aussteht. Drittens sind uns das Ausmaß und die Struktur der Zinsabsicherung auf Emittentenebene schlichtweg nicht bekannt. Denn Unternehmen geben nur selten alle Einzelheiten ihrer Absicherungsgeschäfte preis – was nötig wäre, um ihre Zinssensitivität vollumfänglich zu verstehen. Außerdem sind Vorgaben für die Zinsabsicherung nur vereinzelt, wenn überhaupt, in Bankkreditverträgen enthalten. Fazit: Die Kursverluste an den Anleihenmärkten waren schmerzhaft und bisweilen alarmierend; zugleich lassen die Zinsanstiege infolge einer längeren Phase mit extrem niedrigen Renditen attraktive Chancen sowohl auf den öffentlichen als auch auf den privaten Märkten entstehen. Disziplinierte Anleger sollten über den Ereignissen stehen, die zu derartigen Fehlannahmen führen, und sich auf die Fundamentaldaten konzentrieren, die von Tag zu Tag attraktiver scheinen. Weitere Einschätzungen zu allen Anlageklassen finden Sie in unserem Asset-Allokation-Ausblick vom Mai 2022: „Anlagestrategien für die Spätphase des Konjunkturzyklus“. Mark Kiesel ist CIO Global Credit, Mohit Mittal ist Portfoliomanager mit Schwerpunkt auf Multi-Sektor-Portfolios und Christian Stracke ist Global Head of Credit Research.
Blickpunkt Spezialfinanzierung: Die nächste Grenze der Privatkredite im Wert von 20 Billionen US‑Dollar Die Liquiditätslücke wächst, da die Banken die Vergabe von Spezialkrediten einschränken, was Anlegern im Spezialfinanzierungsbereich die Möglichkeit bietet, potenziell bessere risikobereinigte Renditen zu erzielen, als wir es seit der globalen Finanzkrise gesehen haben.
Blickpunkt Fragen und Antworten zu globalen Anleihen: Ein Anker in unsicheren Zeiten Angesichts eines möglichen Konjunkturabschwungs sehen wir immer stärkere Argumente für Investments in hochwertige globale Anleihen, die potenziell attraktive Renditen bieten – und gleichzeitig das Portfolio diversifizieren können.
Blickpunkt Opportunistische Kreditstrategien: Krisen eröffnen Chancen Die höheren Zinsen und die restriktivere Kreditvergabe erzeugen ein sehr attraktives Umfeld für Manager opportunistischer Kreditstrategien mit flexiblem Kapital, um große Liquiditätslücken zu schließen.