Blog Chinas Anti‑Kartell‑Kampagne: Auswirkungen auf das Wachstum sollten begrenzt bleiben Eine wettbewerbsorientierte Politik zielt darauf ab, eine gesunde Entwicklung in der Technologiebranche zu fördern.
China begann Ende 2020 mit einer Kampagne, die sich vor allem auf Kartelle großer Technologiefirmen konzentriert. Die Regierung will damit gegen Geschäftspraktiken vorgehen, die sie als marktbeherrschend ansieht. Chinas oberste Kartellbehörde, die State Administration for Market Regulation (SAMR), hat eine Reihe von Anti-Monopol-Richtlinien veröffentlicht, die nochmals verstärkten Druck auf die führenden Internetdienstleister des Landes ausüben. Die darauffolgenden kartellrechtlichen Untersuchungen ähneln den Initiativen, die auf internationaler Ebene ergriffen wurden, um die Regulierung von Onlinepattformen und Hightech-Unternehmen zu verstärken. Die Maßnahmen stehen im Einklang mit der Politik der chinesischen Regierung, die sich auf Finanzreformen und den Abbau von Risiken konzentriert. Die Verbesserung der Servicequalität und die Förderung von Innovationen sind ein weiterer Schwerpunkt. Wir beobachten die Fortschritte dieser Kampagne genauestens, glauben aber, dass die Auswirkungen auf Wachstum und Verbrauch sehr wahrscheinlich begrenzt bleiben werden. Wir behalten unseren positiven Ausblick für Chinas Konsumgüter-und Technologiebranche bei. Beide Sektoren sind die wichtigsten Säulen der sogenannten „Dual Circulation“-Strategie (Strategie der zwei Kreisläufe) Chinas. Chinas Anti-Kartell-Maßnahmen stehen in Einklang mit dem Bestreben, die Risiken in der Wirtschaft des Landes zu reduzieren. Die Digitalbranche verzeichnet seit mehr als einem Jahrzehnt ein explosionsartiges Wachstum, und das weitgehend unreguliert. Überall auf der Welt hat sich die Wettbewerbspolitik verändert, Verstöße werden verstärkt geahndet. Die jüngsten kartellrechtlichen und regulatorischen Verschärfungen für Chinas Technologie-Giganten folgen diesem globalen Trend und stehen in Einklang mit den Bemühungen der Regierung, Risiken aus der Wirtschaft des Landes zu nehmen. Der kürzlich veröffentlichte 14. Fünfjahresplan verspricht, den BIP-Anteil der für die digitale Wirtschaft relevanten Sektoren auf zehn Prozent zu erhöhen. Und die auf mehr Wettbewerb angelegte Politik zielt darauf ab, eine gesunde Entwicklung in der Technologie-Industrie zu fördern. Zu den wichtigsten regulatorischen Änderungen gehören: die Ausweitung des Geltungsbereichs der Kartellgesetze auf die digitale Wirtschaft; die Verschärfung der Kreditvergabe sowie der Kapitalvorschriften und -anforderungen für Onlinekredite; das Verbot des Verkaufs von bankeigenen Online-Einlagen auf Drittplattformen; und die Stärkung der für Zahlungsplattformen zuständigen Finanzaufsicht. Die Auswirkungen auf Wachstum und Konsum dürften marginal sein. Die Pandemie hat den Übergang von Offline- zu Online-Geschäftsmodellen weiter beschleunigt. Chinas Onlineverkäufe übertreffen inzwischen mit schöner Regelmäßigkeit die Offlineverkäufe: Auf Jahresbasis stehen plus 18 Prozent für den Online- und plus 4,8 Prozent für den Offlinebereich zu Buche (2019). Im Jahr 2020 waren es plus zehn Prozent im Online- und minus neun Prozent im Offlinehandel. Fußnote: Chinas Anti-Kartell-Maßnahmen werden diesen Trend vermutlich nicht aufhalten, insbesondere deshalb, weil sich die Regierung weiterhin auf die Stärkung des Binnenkonsums und der digitalen Wirtschaft konzentriert, beides Schlüsselelemente ihrer „Dual Circulation“-Strategie. Obwohl die mutmaßlich wettbewerbswidrigen Praktiken von Chinas Technologie-Giganten Gegenstand von Untersuchungen sind, werden sie die dominierenden Plattformen in Bereichen wie E-Commerce und (Online-)Lebensmittel-Lieferdienste bleiben. Potenzielle Geldstrafen könnten die Gewinne dieser Unternehmen, die sie Monopolen verdanken, zwar schmälern. Unter dem Strich dürfte sich aber ein funktionierender, wettbewerbsfähiger Markt für die Branche und die Verbraucher positiv auswirken. Die bis dato verhängten Strafen waren, bezogen auf die Größe dieser Unternehmen, moderat. Die Firmen können sie problemlos verkraften, ohne dass ihre Kreditwürdigkeit dadurch ernsthaft beeinträchtigt wird. Darüber hinaus hat die Regierung Zeit für Anpassungen gewährt, bevor sie bei zahlreichen Unternehmen formelle Untersuchungen eingeleitet hat. Nach unserer Auffassung ist dies ein Zeichen dafür, dass Peking vor allem darauf abzielt, unlauteren Wettbewerb und monopolistische Praktiken beim Sammeln von Daten einzudämmen. An den Märkten gab es zwar Bedenken, dass die strengeren Regeln für Online-Finanzdienstleistungen die Kreditvergabe an Verbraucher beeinträchtigen könnten, was wiederum Auswirkungen auf den Konsum hätte. Wir gehen aber davon aus, dass diese Auswirkungen nur geringfügiger Natur sein werden. Die neuen Vorschriften könnten die Online-Kreditvergabe-Kapazitäten einiger Fintech-Plattformen kurzfristig einschränken. Große Banken und Fintech-Unternehmen mit solider Kapitalausstattung wiederum könnten davon profitieren. Der Anteil der Verbraucherkredite an den Krediten insgesamt ist von 5,1 Prozent im vierten Quartal 2020 moderat auf 4,8 Prozent im ersten Quartal 2021 zurückgegangen, was jedoch hauptsächlich auf saisonale Faktoren zurückzuführen ist. Fußnote: Darüber hinaus könnte die verschärfte Regulierung wichtige Schlupflöcher schließen und zur Verbesserung der Kreditqualität insgesamt beitragen, da die wichtigen Fintech-Plattformen in großem Umfang Kredite an Haushalte mit niedrigeren Einkommen vergeben haben. Noch bedeutender ist, dass die verfügbaren Einkommen weiterhin der wichtigste Treiber für das Konsumverhalten der Haushalte sind und nicht etwa die Verbraucherkredite. Die Wiederbelebung des chinesischen Konsums hat sich im Jahr 2020 verzögert. Ursache sind vor allem die nur geringen Einkommenszuwächse, da die Regierung Haushalten nur wenige Konjunkturanreize geboten hat. Bemerkenswert ist: Die durch Schuldenabbau verursachte rasche Verlangsamung des Wachstums von Verbraucherkrediten vom Rekordhoch von 35 Prozent im Jahresvergleich 2017 auf 12,8 Prozent zum Ende des Jahres 2019 hatte während desselben Zeitraums nur begrenzt Auswirkungen auf den Konsum. Daher ist es unwahrscheinlich, dass eine moderate Verknappung der Verbraucherkredite zu einem signifikanten Einbruch des Verbrauchs führen wird. Das Risiko einer zu starken Verknappung bleibt jedoch bestehen. Angesichts der soliden Konjunkturerholung in China hat die Regierung die Gelegenheit beim Schopf gepackt und weitere Reformen durchgesetzt, um Risiko aus der Wirtschaft des Landes zu nehmen, darunter die Drosselung der Kreditvergabe und die Verschärfung der Regulierung. In diesem Kontext entspringen Chinas Anti-Kartell-Maßnahmen der Befürchtung, dass die monopolistischen Praktiken großer Firmen nicht nur den Technologiesektor, sondern auch die Gesundheit der Wirtschaft insgesamt untergraben könnten. Wir erwarten eine gut abgestimmte Normalisierung dieser Politik und eine regulatorische Straffung im Einklang mit der offiziellen Haltung der Regierung, wonach „keine scharfen politischen Kehrtwenden“ beabsichtigt sind. Dennoch bleibt eine akkurate Echtzeitanalyse schwierig. Es bestehen weiterhin Unsicherheiten in Bezug auf geopolitische Spannungen und das Tempo der globalen Konjunkturerholung. Dabei sehen wir die Gefahr einer zu restriktiven Politik. Diese könnte eine Wachstumsverlangsamung nach sich ziehen, die stärker ausfällt als erwartet.
Blog Der Abschwung in Chinas Immobiliensektor: Ist eine Erholung in Sicht? Unserer Meinung nach könnte der Sektor ohne sofortige und beträchtliche Lockerung der Politik auf nationaler Ebene 2022 ein ernsthaftes Risiko für das Erreichen des BIP-Wachstumsziels der Regierung darstellen.
Blog Inflationsbekämpfung mit unzulänglichen Mitteln In den USA steht die Regierung Biden vor einer galoppierenden Inflation, verfügt aber nur über ein begrenztes Instrumentarium, um den Anstieg der Gas- und Lebensmittelpreise einzudämmen.
Blog Wachstumsausblick China: Berechnung der Lockdown‑Kosten Obwohl sich Peking dieses Jahr ein ehrgeiziges Wachstumsziel mit einem großzügigen Konjunkturprogramm gesetzt hat, wird der auffrischende Gegenwind in einer sich verlangsamenden Weltkonjunktur durch neue Corona-Wellen verstärkt.